Arbeitslosigkeit in Westfalen seit 2007

08.06.2015 Peter Wittkampf

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Westfalen · Didaktische Hinweise · Arbeitsmarkt

Inhalt

Methodische Vorbemerkung

Wenn im Folgenden von "Arbeitslosen" die Rede ist, soll hierbei die Erfassungsmethode der Bundesagentur für Arbeit zugrunde gelegt werden, nicht jedoch die der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder, die ihre Zahlen gemäß Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) ermitteln. Arbeitslose sind – gemäß Bundesagentur – Personen ohne Beschäftigung, die aber durch eine Agentur für Arbeit eine Beschäftigung suchen.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 und ihre Folgen

B. Mielke hatte bereits 2007 auf die räumlichen Disparitäten hingewiesen, die sich bis zum Jahr 2005 bei den Arbeitsmarktstrukturen in Westfalen entwickelt hatten.

Nach dem allgemeinen konjunkturellen Aufschwung 2005–2008 traf die Wirtschafts- und Finanzkrise der Jahre 2008/09 vor allem die Region Südwestfalen mit ihren gewerblichen Schwerpunkten in der z. T. stark exportorientierten Metall- und Maschinenbau-Industrie (s. Beitrag Wittkampf) besonders hart. So wies die Arbeitslosenquote vom 31.12.2008 bis zum 31.12.2009 innerhalb Nordrhein-Westfalens in der Märkischen Region mit 1,6 Prozentpunkten die höchste Steigerungsrate auf, die Region Siegen-Wittgenstein/Olpe die zweithöchste (1,3 Prozentpunkte). Zum Vergleich: NRW insgesamt: plus 0,6 Pozentpunkte; im Dienstleistungs- und Verwaltungszentrum Münster dagegen in diesem Zeitraum: minus 0,1 Prozentpunkte (MAIS NRW – Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen 2009).

Für das Verantwortungsbewusstsein und den Durchhaltewillen vieler Unternehmen in Südwestfalen spricht allerdings die Tatsache, dass man dort vielfach mit Kurzarbeit versuchte, die Mitarbeiter, wenn eben möglich, langfristig zu halten. Am 30.09.2009 wies der Märkische Kreis eine Kurzarbeiterquote von 11,2% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf, der Ennepe-Ruhr-Kreis von 8,7% (zum Vergleich: Münster 1,5%, NRW 4,1%; vgl. ebd.).

Im Jahr 2010 erholte sich der Arbeitsmarkt in Südwestfalen rascher als anderswo in Nordrhein-Westfalen: Die Arbeitslosenquote ging in der Märkischen Region bis zum 31.12.2010 um 1,1 Prozentpunkte von 9,0% auf 7,9% zurück, in der Region Siegen-Wittgenstein/Olpe am zweitstärksten, nämlich um 1,0 Prozentpunkte auf 5,6% (zum Vergleich: NRW: minus 0,6 Prozentpunkte auf insgesamt 8,1%; MAIS NRW 2010). Die weiterhin vorhandene Verfügbarkeit der Arbeitskräfte sowie die Flexibilität der Unternehmen in Bezug auf die Produktpalette und die Märkte trugen wesentlich zum – auch für die Vertreter der Industrie-und Handelskammern – überraschend schnellen wirtschaftlichen Aufschwung in Südwestfalen bei.

Abbn. 1a und 1b: Arbeitslosenquoten und Anteile der Langzeitarbeitslosen an allen Arbeitslosen in Westfalen im März 2015 (Quelle: eigene Zusammenstellung nach Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung mbH 2015, S. 48 u. 59)

Die gegenwärtigen räumlichen Grundstrukturen der Arbeitslosigkeit in Westfalen

Viele Teilregionen Westfalens weisen eine sehr gesunde Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur auf. Die acht nordrhein-westfälischen Kreise mit den niedrigsten Arbeitslosenquoten im März 2015 gehören alle zum Landesteil Westfalen-Lippe.

Die Disparitäten in Bezug auf die Arbeitslosenquoten haben sich innerhalb Westfalens allerdings seit 2005 nicht reduziert, sondern im Gegenteil eher noch verstärkt.

Der "Primus" nicht nur innerhalb Westfalens, sondern sogar ganz Nordrhein-Westfalens ist nach wie vor die Arbeitsmarktregion Münsterland, wo wiederum der Kreis Coesfeld im März 2015 zum wiederholten Male sogar "Vollbeschäftigung" meldete – mit einer Arbeitslosenquote von nur 3,2%.

Tab. 1: Arbeitslosenquoten ausgesuchter Teilregionen Westfalens 2009–2015 sowie einzelner Personengruppen im März 2015 (Quelle: eigene Zusammenstellung nach Quartalsberichten des MAIS NRW)

Auf der anderen Seite bilden die Region "Westfälisches Ruhrgebiet", zu der Dortmund, Hamm und der Kreis Unna gehören, sowie die Region "Emscher-Lippe" mit Gelsenkirchen, Bottrop und dem Kreis Recklinghausen die "Schlusslichter" innerhalb Westfalens (Tab. 1).

Tabelle 1 macht deutlich, dass der Abstand zwischen den positivsten und den negativsten Regionswerten nicht geringer wird, sondern sich sogar noch vergrößert. Er betrug Ende 2009 6,1, Ende 2012 6,4 und im März 2015 6,5 Prozentpunkte.

Die Ballungskerne und -randzonen des Ruhrgebietes weisen insgesamt nach wie vor eine hohe Arbeitslosenquote auf. Dies wird sogar innerhalb bestimmter Kreise deutlich. So betrug etwa die Arbeitslosenquote der Stadt Recklinghausen Ende Juni 2013 12,8%, während beispielsweise die zum Kreis Recklinghausen gehörende Stadt Haltern nur eine Quote von lediglich 5,1% aufwies. Solche Unterschiede zeigen, dass der Strukturwandel in altindustrialisierten Teilregionen noch nicht überall zufriedenstellend gelungen ist, auch wenn z.B. in der Stadt Bottrop die Arbeitslosenquote Ende 2012 "nur" noch 8,6% und im März 2015 8,2% betrug. Dafür lag sie Ende 2012 in Gelsenkirchen bei 13,5%, in Herne bei 13,1%.

Im März 2015 hatten sich diese Werte sogar noch erhöht: in Gelsenkirchen auf 14,3%, in Herne auf 13,6%. Es scheinen sich also zunehmende Disparitäten – auch innerhalb der entsprechenden Teilregionen bzw. Städte des Ruhrgebietes– zu ergeben.

Generell weisen zudem die größeren Städte eine höhere Arbeitslosenquote auf als die Landkreise, denn in den Städten machen die sozial eher schwächer einzuschätzenden Bevölkerungsgruppen und bestimmte Milieus, etwa das der "Hedonisten" (also die "spaß- und erlebnisorientierte moderne Unterschicht/untere Mittelschicht"; www.sinus-institut.de), einen höheren Bevölkerungsanteil aus als in den ländlich geprägten Regionen.

Die besonders niedrige Arbeitslosenquote, z.B. im westlichen Münsterland und im Kreis Olpe, wird von Sprechern der Kreise, der Unternehmen und der Industrie- und Handelskammern häufig damit begründet, dass die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in den dort absolut dominierenden Klein-, Mittel- und Familienbetrieben sich traditionellen Werten besonders verpflichtet fühlen sowie besonnen, zurückhaltend und äußerst solide, aber auch engagiert und mit der nötigen Flexibilität agieren.

In Abbildung 1b wird deutlich, dass auch die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt vor allem in den Ruhrgebietsstädten schwierig zu sein scheint. Die Quoten der Langzeitarbeitslosen sind dort besonders hoch, während in den Münsterlandkreisen, im Sauer- und Siegerland sowie in Ostwestfalen offensichtlich entweder die Anstrengungen erfolgreicher oder die Voraussetzungen für eine Wiedereingliederung weniger kompliziert waren.

Problem: Fachkräftemangel

Die regional z. T. recht hohen Arbeitslosenquoten sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass vielfach bereits jetzt ein deutlicher Arbeitskräftemangel besteht, der sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen wird.

Am Beispiel Ostwestfalen-Lippe können einige Probleme, die hiermit im Zusammenhang stehen, besonders gut deutlich gemacht werden:

In Ostwestfalen-Lippe

  • beträgt der Anteil der un- und angelernten Arbeiter bei Personen mit Migrationshintergrund 27,6% (gegenüber 10,4% bei Personen ohne Migrationshintergrund),
  • haben 65% der jüngeren Arbeitslosen (unter 25 Jahre) keine abgeschlossene Berufsausbildung und 20% keinen Hauptschulabschluss,
  • können etwa 30% der Handwerksbetriebe kein geeignetes Personal finden,
  • brechen knapp 23% der Jugendlichen ihre Ausbildung ab,
  • herrscht bereits jetzt Fachkräftemangel, besonders in den Sparten Metall, Elektro, Mechatronik, IT und Gesundheitswirtschaft (Ostwestfalen-Lippe Marketing 2012).

Beitrag als PDF-Datei ansehen/speichern (Größe: < 1 MB)

↑ Zum Seitenanfang


Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2013, Aktualisierung 2015