Camping in (Nordrhein-)Westfalen – eine "alte Liebe" wird wiederentdeckt

20.10.2016 Markus Wieneke

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Westfalen · Nordrhein-Westfalen · Freizeit · Tourismus · Camping

Inhalt

Für die einen ist Camping lediglich eine (unbequeme) Form der Übernachtung, für andere ist es eine Art Lebensanschauung. "Lieber eintausend Sterne am Himmel als fünf an der Hoteltür" – ein Satz, den man auf Campingplätzen häufig zu hören bekommt. Fest steht: Keine andere Beherbergungsart wird so stark mit Begriffen wie "Unabhängigkeit", "Individualität", "Mobilität" und "Naturverbundenheit" assoziiert. Fest steht auch, dass sich das Camping in den letzten Jahren wieder einer größeren Beliebtheit erfreut – vor allem in NRW.

Wenn in diesem Beitrag von Camping gesprochen wird, dann ist stets das sog. Touristik- oder Reise-Camping gemeint. Das Dauercamping – also die Miete eines Standplatzes über einen längeren Zeitraum – soll hier aufgrund der unzureichenden Datengrundlage unberücksichtigt bleiben.

Abb. 1: Anzahl der geöffneten Campingplätze, der angebotenen Stellplätze und der Übernachtun- gen auf Campingplätzen in den Kreisen/kreisfreien Städten Westfalens im Jahr 2015 (Quelle: www.it.nrw.de)

Angebot und Nachfrage in Westfalen

Laut dem Landesbetrieb Information und Technik Nordrhein-Westfalen gibt es aktuell (Stand 2015) im gesamten Bundesland 242 geöffnete Campingplätze. 104 davon sind im Rheinland anzutreffen, 138 in Westfalen.

Abbildung 1 zeigt, dass hierzulande viele Campingplätze im Sauerland sowie im nördlichen und westlichen Münsterland liegen. Analog dazu ist auch die Zahl der Stellplätze in diesen Regionen überdurchschnittlich hoch. Vergleichsweise viele Campingplätze gibt es außerdem im Kreis Recklinghausen (geprägt durch die Stadt Haltern am See), wohingegen im übrigen Ruhrgebiet Camping eine nachrangige Bedeutung hat, so z.B. in Bottrop, Bochum und Hamm. Dieses Bild wird bestätigt durch die hohen Übernachtungszahlen in den "klassischen" westfälischen Destinationen Sauerland (Hochsauerlandkreis, Kreise Olpe, Soest) und Teutoburger Wald (insbes. Kreise Steinfurt u. Lippe) sowie darüber hinaus im Weserbergland (Kreis Höxter), deren ländliche bzw. naturnahe Umgebung dem Campingurlaub – wie eingangs erwähnt – entgegenkommt.

Abb. 2: Entwicklung der Übernachtungszahlen auf Campingplätzen in Deutschland 2000–2015 (Zu-/Abnahme in %) (Quelle: www.it.nrw.de)

Zuwächse in Deutschland, Camping-Boom in NRW – die Entwicklung 2000 bis 2015

Ob mit Zelt, Caravan oder Wohnmobil – noch nie war Campingurlaub so beliebt wie heute. Im Jahr 2015 verzeichneten die Campingplätze in Deutschland insgesamt 29,2 Mio. Übernachtungen. In Nordrhein-Westfalen waren es knapp 1,7 Mio., die sich etwa zu gleichen Teilen auf Westfalen und das Rheinland verteilen. Im Bundesvergleich liegt NRW damit an siebter Stelle. Wie zu erwarten, führen hier die "großen" Urlaubsdestinationen aus dem Süden und Norden (z.B. Bayern: 5 Mio. Übernachtungen, Mecklenburg-Vorpommern: 4,6 Mio., Niedersachsen: 4 Mio.). Betrachtet man jedoch die Entwicklung der vergangenen 15 Jahre, ergibt sich ein anderes Bild. Zwar sind seit dem Jahr 2000 in Deutschland insgesamt die Übernachtungszahlen auf Campingplätzen um beachtliche 39% gestiegen. Dies ist jedoch kein Vergleich zu der Bilanz, die Nordrhein-Westfalen vorweisen kann: Hier haben sich die Übernachtungen zwischen 2000 und 2015 nahezu verdoppelt (95,8%). In keinem anderen Flächenland haben sich die Zahlen in besagtem Zeitraum derart positiv entwickelt (Abb. 2).

Auch ohne Hochgebirge und Meeresrauschen – in NRW hat Camping Tradition. Bereits vor der Zeit des Massentourismus (ab den 1960er Jahren) haben "Naturliebhaber" abseits der stickigen Industriestädte auf dem Land zumindest für kurze Zeit Erholung gesucht und die Sommerfrische genossen – in einfachen Zeltkonstruktionen oder in den ersten Wohnwagen. Bei deren Entwicklung waren übrigens eine Reihe von westfälischen Unternehmen Vorreiter. Man denke nur an die Wiedenbrücker Firma "Westfalia", die schon 1938 mit dem Wohnwagen "Landstreicher" ihr erstes Erfolgsmodell hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt Westfalen gar als "ein wichtiges Zentrum der Campingindustrie", da hier gleich mehrere bedeutende Unternehmen Wohnwagen produzierten, u.a. in Minden und Warendorf (LWL 2013, S. 21).

Der Camping-Boom in NRW seit der Jahrtausendwende liegt nur teilweise in der konjunkturellen Gesamtentwicklung der Tourismusbranche begründet. Deutschlandweit sind die Übernachtungszahlen in allen Beherbergungsbetrieben zusammen zwischen 2000 und 2015 um vergleichsweise "nur" 34% gestiegen (NRW: 33%). Warum aber in Nordrhein-Westfalen der Anstieg im Campingbereich so überproportional verlaufen ist, lässt sich nicht eindeutig klären. Wahrscheinlich dürfte der bundesweite Trend, eher mehrere, dafür vergleichsweise kürzere Urlaube verstärkt wieder innerhalb Deutschlands zu verbringen, den hiesigen Campingbetrieben mehr entgegengekommen sein also anderswo. Hinzu kommt eine NRW-weit nahezu flächendeckend vorhandene Camping-Infrastruktur (für Westfalen s. Abb. 1) in einer natur- und kulturräumlich sehr abwechslungsreichen Landschaft. Nicht zuletzt dürfte die günstige geographische Lage NRWs innerhalb (West-)Europas bei der Campingplatz-Wahl auch von ausländischen (vornehmlich niederländischen) Gästen eine Rolle spielen.

Abb. 3: Wohnwagen-Idylle im Campingpark Haddorfer Seen in Wettringen (Kr. Steinfurt) (Foto: Campingpark Haddorf)

Wirtschaftsfaktor Camping

Die Campingwirtschaft ist – heute mehr denn je – ein wichtiger Bestandteil der deutschen Tourismusbranche. In einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie herausgegebenen Studie wurde für das Jahr 2009 der bundesweite Camping-Umsatz insgesamt (Touristik- und Dauercamping) mit rd. 11,5 Mrd. Euro beziffert (BMWi 2010, S. 28).

Dass Campen im Trend liegt, beruht auch darauf, dass sich die Branche gut auf die veränderten Bedürfnisse der Urlauber eingestellt hat. Heute gibt es auf vielen Campingplätzen ein "Rahmenprogramm" mit vielfältigen Möglichkeiten, die von Abend-Animation über Sport- und Wellnessangebote bis hin zur Kinderbetreuung reichen. Auch bei der Infrastruktur und Unterbringung wurde "aufgerüstet". WLAN-Zugriff, Wasser- und Stromanschluss sind heute für jeden modernen Stellplatz vorhanden bzw. in Reichweite. Wer es noch komfortabler haben möchte, kann das Zelt sogar zu Hause lassen und auf dem Campingplatz eine bestehende Unterkunft mieten. Ob Schlaffass, Safarizelt, Tipi, Lodge, Chalet, Ferienhaus oder Bungalow – der Vielfalt scheinen hier keine Grenzen gesetzt. Dieses "Glamping" (als neue Wortkreation aus "glamourous camping" = luxuriöses Campen) lockt Urlauber nun auch bei schlechterem Wetter auf die Campingplätze und zieht darüber hinaus neue, bislang weniger camping-affine Zielgruppen an.

Es ist anzunehmen, dass die aktuellen Urlaubs-Trends auch in naher Zukunft Bestand haben werden, was in der Camping-Sparte – vor allem in NRW – weiterhin für sonnige Zeiten sorgen dürfte.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2016