Die Douglasie und der Wald der Zukunft – Fehler künftig nicht wiederholen

08.04.2020 Wilfried Stichmann

Der Klimawandel, die Sturmkatastrophen, die Dürre und die Borkenkäfer-Kalamität – sie alle haben forstwirtschaftlich Interessierte in der Überzeugung bestärkt, dass die hohe Zeit der Fichten vorbei ist (s. Beitrag Stichmann). Aber mit welchen Baumarten sind die Wälder der Zukunft aufzubauen? Das ist augenblicklich eine Frage, die auch Experten beschäftigt. Denn wer weiß schon, wie das Klima und die Böden in einhundert Jahren aussehen? Im Gegensatz zur Landwirtschaft muss im Forst mit solchen Zeiträumen gerechnet werden. Weil aber aus klimapolitischen Gründen die großen Kahlflächen möglichst umgehend wieder aufgeforstet werden sollen, muss die Entscheidung kurzfristig fallen – eine verantwortungsvolle und schwierige Aufgabe!

Der Waldbaum, der am häufigsten in Gesprächen erwähnt wird, ist die Douglasie (Pseudotsuga menziesii), die schon im Tertiär im heutigen Europa verbreitet vorkam, aber erst 1827 aus dem westlichen Nordamerika durch den schottischen Botaniker David Douglas, nach dem sie benannt ist, wieder in die Alte Welt gelangte. Seitdem ist sie bereits in den Rang des häufigsten fremdländischen Nadelbaums in nordrheinisch-westfälischen Wäldern aufgerückt. Das bedeutet allerdings nicht viel, weil sie nur weniger als ein Prozent der Waldfläche einnimmt.

Abb. 1: Zapfen der Douglasie (li.) und der Fichte (Foto: Pixabay / Manfred Richter)

Viele Naturfreunde kennen Douglasien allerdings bereits aus Gärten und Parks. Ihre Nadeln sind denen der Weißtanne ähnlich. Sie sind so weich, dass sie nicht stechen. Die weißen Streifen auf der Nadelunterseite sind nur schwach angedeutet. Der Duft wirkt beim Zerreiben der Nadeln aromatisch. Nach Orange duftet das flüssige Harz, das man aus den Harzbeulen in der glatten Rinde junger Douglasien drücken kann. Manche Künstler verwenden es beim Anrühren ihrer Farben. Die Zapfen sind acht bis zehn Zentimeter lang und damit deutlich kürzer als die der Fichte (10–16 cm); deutlich zu erkennen sind ferner die heraushängenden Deckschuppen (Abb. 1).

Auch die Förster haben schon ers­te Erfahrungen mit den Douglasien in der Praxis sammeln können. Vor allem bei der Aufforstung von Kahlschlägen nach dem Zweiten Weltkrieg hat man hier und dort auch Douglasien mit eingebracht, die ersten aber schon vor 130 Jahren. Eindrucksvolle Exem­plare hinsichtlich ihrer Höhe, ihrer Geradschäftigkeit und ihres Stammdurchmessers werden in Stemel bei Sundern im Sauerland präsentiert. Viele Förster und Waldbesitzer sind schon begeistert und davon überzeugt, dass die Douglasie in Westfalen eine große Zukunft haben wird.

Dafür spricht auch die Tatsache, dass die Douglasie zwar hierzulande nicht wie in amerikanischen Nationalparks 1.000 Jahre alt und 65 bis 85 Meter hoch werden kann, aber immerhin selbst die höchsten Fichten übertrifft. Die Douglasien könnten einmal die höchsten Bäume in deutschen Wäldern werden. Sie übertreffen – vor allem schon in der Jugend – die übrigen Nadelbäume im Höhenwachstum. Das Douglasienholz, im internationalen Handel unter der Bezeichnung "Oregon Pine" bekannt, ist so wertvoll und vielseitig verwendbar, dass es die durch den Ausfall der Fichte entstehende Lücke füllen könnte.

Tab. 1: Steckbrief – Douglasie (Quellen: wikipedia.org, wald.de)

Für den Waldbau ist wichtig, dass sich – im Gegensatz zur Fichte – die Nadelstreu der Douglasie schnell zersetzt und sich die Art leicht über das Saatgut naturverjüngt. Während die Fichte als Flachwurzler stark sturmgefährdet ist, wurzelt die Douglasie tiefer im Boden und kann nicht so leicht geworfen werden. Im Hinblick auf den Klimawandel ist es wichtig, dass die Douglasie deutlich weniger Wasser benötigt als die Fichte. Da es in Nordamerika zwischen der Küste und dem Hochgebirge mehrere verschiedene, extrem unterschiedlichen Umweltbedingungen angepasste Unterarten gibt, hofft man, die für die jeweiligen Standorte und den Klimawandel bestgeeigneten herausfinden zu können.

Bei so vielen Vorteilen besteht die Gefahr, dass die Douglasie zur "Fichte der Zukunft" wird und gravierende Fehler, die man gerade zu überwinden versucht, wiederholt werden. Schon geistert in Kreisen von Naturschützern und Ökologen das Horrorszenario neuer Monokulturen, da die Douglasie vorwüchsig und konkurrenzstark ist und somit andere heranwachsende heimische Baumarten unterdrücken und ausschalten kann. Das macht sie für eine stammweise Mischung ungeeignet.

Abb. 2: Bei entsprechendem Alter kann die Douglasie hierzulande eine Höhe von 60 m erreichen (Foto: TSD, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1655663)

Naturschützer und Ökologen sind besorgt, dass die in der Praxis gemachten Erfahrungen über die Vorzüge von Mischwäldern im Hinblick auf eine geringere Sturm- und Parasitenanfälligkeit zurückgestellt werden und wieder neue Monokulturen entstehen. Auch verweist man auf fremdländische Baumarten wie Weymouthskiefer und Sitkafichte, die anfangs auch anbauwürdig zu sein schienen, sich später aber auf verschiedenen Standorten nicht bewährt haben, vor allem weil sie unter Schadorganismen litten, an die sie sich in ihren Herkunftsländern nicht effektiv anpassen konnten.

Wenn heimischen Baumarten wegen derartiger Bedenken der Vorzug gegeben werden sollte, dann bedeutete das, dass beispielsweise das Sauerland wieder größtenteils mit Buchenwäldern bedeckt wäre, wie das von Natur aus einmal der Fall war. Das Holz der Buche aber kann das der Fichte nicht in allen Verwendungsbereichen ersetzen. Das Holz der Douglasie ist dagegen hochwertig und wird z.B. in der Möbelindustrie und für Furniere verwendet. Dieser wirtschaftliche Aspekt wird bei dem Aufbau des Waldes der Zukunft unweigerlich eine besondere Rolle spielen.

Daher heißt eine von Experten anerkannte Empfehlung: in einen Grundbestand standortgerechter einheimischer Baumarten inselartig Gruppen von Douglasien einbringen. Wenn wegen der Konkurrenzüberlegenheit der Neubürger gegenüber fast allen heimischen Arten eine stammweise Mischung nicht ratsam ist, kann immerhin auf diesem Weg die ökologische und die wirtschaftliche Funktion der Wälder gewahrt werden. Zumindest wenn alle Beteiligten dem Klimawandel standhalten.

Um vor allem auch im Privatwald die Anforderungen des naturnahen Waldbaus an stabile Wälder als Erholungsorte, CO2-Senken und Zentren der Biodiversität zu sichern, müssen jetzt in der Wiederaufbauphase nach den großflächigen Sturm- und Käferschäden die Weichen klar gestellt werden, damit sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Detaillierte Vorgaben sind unerlässlich und gegebenenfalls mit finanziellen Hilfen des Staates zu verknüpfen, ohne die eine Wiederaufforstung so großen Stils wie zur Zeit in weiten Teilen von NRW kaum möglich ist.

Die vielfach empfohlene natürliche Sukzession kommt nur dort als pflegeleichte und kostengünstigere Alternative in Betracht, wo nicht von vornherein eine bestimmte Zusammensetzung der Gehölzarten vorgesehen bzw. die Naturverjüngung und damit oft die mehr oder weniger starke Vertretung der Fichte mit eingeplant ist.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2020