EUREGIO – erfolgreiche Zusammenarbeit im deutsch-niederländischen Grenzraum
Politisch betrachtet bildete das EUREGIO-Gebiet bis weit über das Mittelalter hinaus eine Einheit. Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 traten die Niederlande aus dem deutschen Reichsverband aus. Die Niederlande und Deutschland entwickelten sich zu zwei voneinander getrennten Nationalstaaten. Trotzdem blieben in der Region viele sozioökonomische Verflechtungen bestehen - unter anderem durch das Textilgewerbe, einem Wirtschaftszweig, der in dem ansonsten agrarisch geprägten Raum beiderseits der Grenze über Jahrhunderte eine bedeutende Rolle spielte.
Ab Mitte des 20. Jh.s verlor die Textilindustrie zusehends an Einfluss. Heute bilden Handel, Transport und Logistik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie der Tourismus die wichtigsten Wirtschaftszweige. Der Strukturwandel vollzog sich anfangs schleppend. Dabei erwies sich die nationale Randlage beziehungsweise die Staatsgrenze als großes Hindernis. Zudem bestand das Bedürfnis, das durch den Zweiten Weltkrieg belastete Verhältnis zwischen Deutschen und Niederländern zu verbessern und Vorurteile abzubauen. Das gab in den 1950er Jahren den Anlass für die Bildung regionaler Arbeitsgemeinschaften und schließlich, im Jahr 1958, den Impuls für die organisierte grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
An der Wiege der EUREGIO standen die 1954 gegründete Interessengemeinschaft Rhein-Ems, der Twenteraad, aus dem 1960 die Belangengemeenschap Twente-Oostgelderland hervorging, und die 1961 gegründete Stichting Streekbelangen Oost-Gelderland. Hauptthemen waren in der Anfangszeit der Ausbau des Verkehrsnetzes, die Lösung von Grenzpendlerproblemen und ab den 1970er Jahren auch die sozial-kulturelle Zusammenarbeit. Als ab Ende der 1980er Jahre Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds in die Grenzregion flossen, insbesondere ab 1991 im Rahmen von INTERREG, entwickelte sich die Förderung von Wirtschaft und Technologie zu einem weiteren Schwerpunkt.
Zu den wesentlichen Fortschritten im EUREGIO-Gebiet zählen im Bereich Verkehr die Fertigstellung der Ost-West-Autobahn (E 30) und die Anbindung der Grenzregion an das Ruhrgebiet über die A 31. Im Bereich des Schienenverkehrs erreichte die EUREGIO, dass die neun Kilometer lange Eisenbahnverbindung zwischen Enschede und Gronau wieder in Betrieb gehen konnte (s. Beitrag Geuckler). Auf wirtschaftlichem Gebiet gelang es, die Zusammenarbeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie von Universitäten und Fachhochschulen zu fördern, unter anderem im Bereich der Biotechnologie, der Mechatronik, der Lasertechnologie und Medizintechnik sowie beim Einsatz von Informationstechnologie und Künstlicher Intelligenz. Die grenzüberschreitenden Firmenverbundprojekte und der Wissenstransfer helfen den Unternehmen, sich besser auf dem internationalen Markt zu behaupten. Im Tourismus entwickeln die deutschen und niederländischen Fremdenverkehrsverbände neue Produkte und vermarkten diese gemeinsam. Pro Jahr zählt die EUREGIO inzwischen rund 21,5 Mio. Übernachtungen von Besuchern aus dem Ausland. Im Gesundheitswesen gelang es, ein Euregionales Servicezentrum für Gesundheit zu errichten, welches die grenzüberschreitende ambulante und stationäre Krankenversorgung und die Zusammenarbeit von Hochschulen und Industrie koordiniert. Im Bereich der öffentlichen Sicherheit erhöht ein grenzüberschreitender Gefahrenabwehrplan den Schutz der Bürger im Katastrophenfall. Auf sozial-kulturellem Gebiet fördert die EUREGIO vielfältige Kontakte zwischen deutschen und niederländischen Bürgern und organisiert zahlreiche Aktivitäten für Schulen. Für den grenzüberschreitenden Jugendaustausch wurde das Servicebüro Diabolo eingerichtet. Grenzpendler, die Probleme mit dem deutschen und niederländischen Steuer- oder Sozialversicherungssystem haben, finden Hilfe in der EURES-Beratungsstelle.
Die fast 50-jährige grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat in der EUREGIO viel bewirkt. Zudem ist die Grenze durch das Schengener Abkommen durchlässiger geworden. Dennoch sind längst nicht alle Hürden beseitigt. Der EUREGIO-Rat hat im Juni 2006 die Leitlinien für die kommende europäische Finanzperiode 2007-2013 festgelegt. Die künftigen Aufgaben der EUREGIO bilden die Förderung von Innovation und wissensbasierter Wirtschaft, die Überwindung regionaler Disparitäten sowie die Unterstützung der grenzübergreifenden gesellschaftlichen Integration und Vorsorge. Die Förderschwerpunkte orientieren sich an den Zielen der Europäischen Kommission sowie an den nationalen und regionalen Entwicklungsstrategien und an den jahrelangen Erfahrungen aus der Umsetzung der europäischen INTERREG-Programme.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | Goinga, K. (1995): EUREGIO: Das alltägliche Europa in der Praxis. EUREGIO: Het Europa in de praktijk van alledag. Gronau/Enschede | |
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Kohle, M. (2000): Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im deutsch-niederländischen Gebiet EUREGIO. |
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Müller, V. (2003): 25 Jahre EUREGIO-Rat. Rückblick auf die Arbeit eines politischen Gremiums im "kleinen Europa". Gronau/Enschede |
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http://diabolojugend.de |
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www.euregio.de |
Erstveröffentlichung 2007