EUREGIO – erfolgreiche Zusammenarbeit im deutsch-niederländischen Grenzraum

01.01.2007 Christoph Bönig

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Die EUREGIO ist die älteste grenzübergreifende Organisation auf regionaler Ebene in Europa. Die Geburtsstunde des deutsch-niederländischen Kommunalverbands schlug im Jahr 1958. Der Name setzt sich aus den Begriffen "Europa" und "Region" zusammen und ist gleichzeitig Programm: Die EUREGIO versteht sich als Modell für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und als Vorreiter auf dem Weg zur europäischen Integration. Ziel des Zusammenschlusses ist es, die nachteiligen Auswirkungen der Grenze abzubauen, und zwar für die Bürger ebenso wie für Unternehmen und Organisationen.
Abb. 1: Das EUREGIO-Gebiet (Quelle: EUREGIO e.V.)
Das Gebiet der EUREGIO umfasst in Nordrhein-Westfalen das Münsterland mit den Kreisen Borken, Coesfeld, Steinfurt, Warendorf und der Stadt Münster, in Niedersachsen den Landkreis Grafschaft Bentheim, die Stadt und den Landkreis Osnabrück sowie Teile des südlichen Emslandes, auf niederländischer Seite die Regionen Achterhoek und Twente sowie Teile von Nordost-Overijssel und Südost-Drenthe (Abb. 1). Insgesamt sind 130 Städte, (Land)Kreise und Gemeinden Mitglied. Die Fläche erstreckt sich über rund 13000 km2, die Einwohnerzahl beträgt fast 3,4 Mio. Ungefähr zwei Drittel der Fläche und der Bevölkerung entfallen dabei auf den deutschen Teil, etwa ein Drittel auf den niederländischen. Die natürlichen Grenzen des EUREGIO-Gebietes bilden im Norden das Bourtanger Moor, im Westen die Flüsse Rhein und IJssel und im Süden die Lippe. Im EUREGIO-Gebiet kreuzen sich wichtige europäische Verkehrsachsen wie zum Beispiel der Dortmund-Ems-Kanal und die Autobahnen A 1, A 30 und A 31.

Politisch betrachtet bildete das EUREGIO-Gebiet bis weit über das Mittelalter hinaus eine Einheit. Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 traten die Niederlande aus dem deutschen Reichsverband aus. Die Niederlande und Deutschland entwickelten sich zu zwei voneinander getrennten Nationalstaaten. Trotzdem blieben in der Region viele sozioökonomische Verflechtungen bestehen - unter anderem durch das Textilgewerbe, einem Wirtschaftszweig, der in dem ansonsten agrarisch geprägten Raum beiderseits der Grenze über Jahrhunderte eine bedeutende Rolle spielte.

Ab Mitte des 20. Jh.s verlor die Textilindustrie zusehends an Einfluss. Heute bilden Handel, Transport und Logistik, Maschinenbau, Elektrotechnik, Nahrungs- und Genussmittelindustrie sowie der Tourismus die wichtigsten Wirtschaftszweige. Der Strukturwandel vollzog sich anfangs schleppend. Dabei erwies sich die nationale Randlage beziehungsweise die Staatsgrenze als großes Hindernis. Zudem bestand das Bedürfnis, das durch den Zweiten Weltkrieg belastete Verhältnis zwischen Deutschen und Niederländern zu verbessern und Vorurteile abzubauen. Das gab in den 1950er Jahren den Anlass für die Bildung regionaler Arbeitsgemeinschaften und schließlich, im Jahr 1958, den Impuls für die organisierte grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

An der Wiege der EUREGIO standen die 1954 gegründete Interessengemeinschaft Rhein-Ems, der Twenteraad, aus dem 1960 die Belangengemeenschap Twente-Oostgelderland hervorging, und die 1961 gegründete Stichting Streekbelangen Oost-Gelderland. Hauptthemen waren in der Anfangszeit der Ausbau des Verkehrsnetzes, die Lösung von Grenzpendlerproblemen und ab den 1970er Jahren auch die sozial-kulturelle Zusammenarbeit. Als ab Ende der 1980er Jahre Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds in die Grenzregion flossen, insbesondere ab 1991 im Rahmen von INTERREG, entwickelte sich die Förderung von Wirtschaft und Technologie zu einem weiteren Schwerpunkt.
Abb. 2: Organisationsstruktur der EUREGIO (Quelle: EUREGIO e.V.)
Mit der allmählichen Ausweitung und Vertiefung der Arbeitsfelder wuchs die Institutionalisierung und Professionalisierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die EUREGIO von einem losen Zusammenschluss verschiedener Interessensgemeinschaften zu einer fest umrissenen, klar strukturierten Organisation (Abb. 2). Bedeutende Schritte waren dabei die Errichtung der EUREGIO-Mozer-Kommission im Jahr 1971, die Gründung des EUREGIO-Rates 1978 und die Unterbringung der deutschen und niederländischen Sekretariate in einem gemeinsamen Gebäude am Grenzübergang Glanerbrug zwischen Gronau und Enschede 1985 (Abb. 3). Seit 1999 ist die EUREGIO als eingetragener Verein (e.V.) eine Rechtsperson nach deutschem Privatrecht.

Zu den wesentlichen Fortschritten im EUREGIO-Gebiet zählen im Bereich Verkehr die Fertigstellung der Ost-West-Autobahn (E 30) und die Anbindung der Grenzregion an das Ruhrgebiet über die A 31. Im Bereich des Schienenverkehrs erreichte die EUREGIO, dass die neun Kilometer lange Eisenbahnverbindung zwischen Enschede und Gronau wieder in Betrieb gehen konnte (s. Beitrag Geuckler). Auf wirtschaftlichem Gebiet gelang es, die Zusammenarbeit von kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie von Universitäten und Fachhochschulen zu fördern, unter anderem im Bereich der Biotechnologie, der Mechatronik, der Lasertechnologie und Medizintechnik sowie beim Einsatz von Informationstechnologie und Künstlicher Intelligenz. Die grenzüberschreitenden Firmenverbundprojekte und der Wissenstransfer helfen den Unternehmen, sich besser auf dem internationalen Markt zu behaupten. Im Tourismus entwickeln die deutschen und niederländischen Fremdenverkehrsverbände neue Produkte und vermarkten diese gemeinsam. Pro Jahr zählt die EUREGIO inzwischen rund 21,5 Mio. Übernachtungen von Besuchern aus dem Ausland. Im Gesundheitswesen gelang es, ein Euregionales Servicezentrum für Gesundheit zu errichten, welches die grenzüberschreitende ambulante und stationäre Krankenversorgung und die Zusammenarbeit von Hochschulen und Industrie koordiniert. Im Bereich der öffentlichen Sicherheit erhöht ein grenzüberschreitender Gefahrenabwehrplan den Schutz der Bürger im Katastrophenfall. Auf sozial-kulturellem Gebiet fördert die EUREGIO vielfältige Kontakte zwischen deutschen und niederländischen Bürgern und organisiert zahlreiche Aktivitäten für Schulen. Für den grenzüberschreitenden Jugendaustausch wurde das Servicebüro Diabolo eingerichtet. Grenzpendler, die Probleme mit dem deutschen und niederländischen Steuer- oder Sozialversicherungssystem haben, finden Hilfe in der EURES-Beratungsstelle.
Abb. 3: Die EUREGIO-Geschäftsstelle am Grenzübergang Glanerbrug (Foto: EUREGIO e.V.)

Die fast 50-jährige grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat in der EUREGIO viel bewirkt. Zudem ist die Grenze durch das Schengener Abkommen durchlässiger geworden. Dennoch sind längst nicht alle Hürden beseitigt. Der EUREGIO-Rat hat im Juni 2006 die Leitlinien für die kommende europäische Finanzperiode 2007-2013 festgelegt. Die künftigen Aufgaben der EUREGIO bilden die Förderung von Innovation und wissensbasierter Wirtschaft, die Überwindung regionaler Disparitäten sowie die Unterstützung der grenzübergreifenden gesellschaftlichen Integration und Vorsorge. Die Förderschwerpunkte orientieren sich an den Zielen der Europäischen Kommission sowie an den nationalen und regionalen Entwicklungsstrategien und an den jahrelangen Erfahrungen aus der Umsetzung der europäischen INTERREG-Programme.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007