Fiducia & GAD IT AG – eine bedeutende IT-Unternehmensfusion mit ihren Vernetzungen

09.12.2019 Heinz Heineberg

Inhalt

Wer ist die Fiducia & GAD IT AG?

Der im Jahr 2015 aus einer Unternehmensfusion entstandene neue Konzern Fiducia & GAD IT AG zählt zu den bedeutendsten IT-Dienstleis­tungsanbietern für Finanzinstitute in Deutschland. Der Konzern ist im Kerngeschäft für die genossenschaftliche Finanzgruppe (Volksbanken und Raiff­eisenbanken) tätig, darüber hinaus aber auch auf die Zusammenarbeit mit zahlreichen Privatbanken und anderen Unternehmen spezialisiert. Zu den umfassenden Dienstleistungen zählen Softwarelösungen, technischer Service, Risikomanagement und Controlling (www.fiduciagad.de). In Hochsicherheitsrechenzentren werden zwei Bankverfahren, genannt "agree" und "bank 21", betrieben. Hauptsitze der Fiducia & GAD IT AG sind Karlsruhe und Münster in Westfalen.

Frühere Bedeutung anhand der GAD eG in Münster

Im Jahr 2010 wurden bereits die Bedeutung, Standortentwicklung sowie Unternehmensvernetzungen anhand der in Münster mit ihrem damaligen Hauptsitz ansässigen genossenschaftlichen GAD eG (Gesellschaft für automatische Datenverarbeitung) dargestellt (Heineberg 2010). Die im Jahr 1963 als erstes genossenschaftliches Rechenzentrum in Nordwestdeutschland entstandene GAD eG bezeichnete sich 2010 selbst als "IT-Kompetenzcenter für rund 450 Volksbanken und Raiffeisenbanken, deren Zentralinstitute und andere Unternehmen im genossenschaftlichen FinanzVerbund sowie für weitere Retailbanken [= Privatkundenbanken] im deutschsprachigen Raum". Der Hauptfirmen-Standort im "Südwestsektor" der Stadt Münster (nahe dem Autobahnzubringer zur A1/A43) zeichnete sich bereits durch eine Vielzahl bedeutender IT-Unternehmensvernetzungen und Kooperationen innerhalb der Unternehmensgruppe sowie durch weitere Beteiligungen, Partner im Verbund und Partnerfirmen aus, und zwar sowohl auf lokaler Ebene als auch regional und überregional (Heineberg 2010 mit Abbn. 1 u. 2).

2010 gab es in Deutschland nur zwei große Rechenzentralen für Genossenschaftsbanken: die GAD eG in Münster, die regional für den Nordwesten der Bundesrepublik zuständig war, und die in Karlsruhe angesiedelte FIDUCIA IT AG mit ihrem Betreuungsbereich für den Süden und Osten. Wie bereits 2010 am Beispiel der GAD eG aufgezeigt werden konnte, sind die Unternehmensentwicklung und deren vielfältige Standortverflechtungen eine Folge zahlreicher Unternehmensfusionen, -zusammenschlüsse bzw. -konzentrationen, die sich aus einer Vielzahl von Gründen ergeben haben, z.B. wegen Rationalisierung und Kostenoptimierung, Erhöhung der Abrechnungssicherheit oder der kontinuierlichen Verbesserung großrechnergestützter zentraler Banking-Systeme. Von einem Standort-Konzentrationsprozess im Jahr 2005 profitierte die Stadt Müns­ter mit einem Erweiterungsbau des GAD-Gebäudekomplexes (zentrales Rechenzentrum). Die GAD errichtete 2009 in Münster (Stadtteil Nienberge) ein weiteres großes Rechenzentrum.

Die GAD nutzte (und nutzt heute noch innerhalb des neuen Konzerns Fiducia & GAD IT AG) zahlreiche harte und weiche Standortvorteile bzw. sog. Lokalisations- und Urbanisationsvorteile der Stadt Münster, z.B. Kooperationen mit weiteren höherrangigen Dienstleis­tungen wie etwa der – in der Nähe des GAD-Hauptstandortes gelegenen – R+V-Versicherung, das Angebot qualifizierter Fachkräfte und nicht zuletzt die Lebensqualität und das Image Münsters.

Unternehmensfusion – langwieriger Prozess, heutige Bedeutung

Seit 2006 wurden zunächst Sondierungsgespräche zu einer möglichen Unternehmensfusion der beiden IT-Dienstleister FIDUCIA IT AG und GAD eG angestellt; diese scheiterten zunächst, wurden 2010 aber wieder aufgenommen. Unter dem massiven Druck der Kostenersparnis als ein Hauptziel einer Unternehmensfusion fanden 2011 erneut Verhandlungen statt. Trotz Zustimmung des Bundeskartellamtes Ende Mai 2012 wurden die Fusionsverhandlungen im Juli 2012 wiederum abgebrochen, allerdings Ende 2013 wieder aufgenommen. Erst im Oktober 2014 sprachen sich die Aufsichtsräte der beiden Unternehmen (einstimmig) für den Unternehmenszusammenschluss aus; es folgten die Zustimmungen der GAD-Generalversammlung und der außerordentlichen Hauptversammlung der FIDUCIA. Rechtskräftig wurde die Fusion zur "Fiducia & GAD IT AG" 2015. Allerdings ist die IT-Konsolidierung zwischen den beiden ehemaligen Unternehmen noch nicht abgeschlossen, und die Fusionslasten sorgten im vergangenen Jahr (2018) für einen Ertragseinbruch, denn der Überschuss des Gesamtkonzerns sank von 31,1 Mio. Euro (2017) auf 6,5 Mio. Euro (Stilling 2019). "Als konkrete Ursache für diese Entwicklung nannte Fiducia & GAD insbesondere entstandene Kompensationszahlen an die auf das Bankverfahren "agree 21" migrierten Geldhäuser, das Projekt "Kunden-Fokus" und den Start der IT-Cloud" (ebd.). Allerdings wuchs der Umsatz des Konzerns von 1,545 Mrd. Euro (2017) auf 1,634 Mrd. Euro (2018).

Am 31.12.2018 betrug die Zahl der Mitarbeiter des Konzerns 7.145, (davon Fiducia & GAD: 4.417). Betreut wurden 878 Banken, weitere 68 Kunden (Partner) im Verbund und 173 sog. Marktkunden; verbunden waren 166.690 Bankarbeitsplätze. Die Zahl der Konten betrug 82,2 Mio. und der angeschlossenen sog. Selbstbedienungsgeräte (SB-Geräte) 34.185 (www.fiduciagad.de).

Abb. 1: Hauptstandorte der Unternehmensgruppe Fiducia & GAD IT AG (Quelle: Eigene Darstellung nach Fiducia & GAD IT AG 2019)

Hauptstandorte von Tochter- und Beteiligungsgesellschaften

Zur heutigen Unternehmensgruppe von Fiducia & GAD zählen zahlreiche Tochter- und Beteiligungsgesellschaften mit unterschiedlichen Standorten (sog. Firmen- oder Verwaltungssitze, Vertriebsstandorte, Außenstellen, Teams etc.) sowie Unternehmensgrößen und -beteiligungen (Abb. 1). Die Einzelunternehmen und deren Untergliederungen zeichnen sich auch durch vielfältige IT-Angebote, Zusammenarbeiten mit anderen Banken etc. und zudem unterschiedlichste Beteiligungen aus (www.fiduciagad.de).

Als Beispiel sei die Ratiodata GmbH genannt (www.ratiodata.de). Ratiodata wurde bereits 1972 gegründet. Das Unternehmen ist einer der großen IT-Dienstleister in Deutschland, heute als 100%ige Tochter der Fiducia & GAD IT AG mit Firmensitz in Frankfurt a.M. Der Verwaltungssitz von Ratiodata ist die Stadt Münster (in einem 2009 im Gewerbegebiet Loddenheide neu errichteten Bürogebäude). Bundesweit werden zahlreiche Standorte und Außenstellen (darunter die wesentlichen in Berlin, Duisburg, Frankfurt, Karlsruhe, Kassel, Mülheim-Kärlich, München, Wedemark) sowie weitere Technikstützpunkte unterhalten. Am 01.01.2018 hat die Ratiodata GmbH auch die Ratiodata Luxemburg übernommen. Zu den Unternehmensfunktionen zählen vielfältige professionelle IT-Lösungen und Services, insbesondere Netzwerk- und Sicherheitstechnologien, Kommunikationslösungen, Bankentechnologie sowie Scan- und Dokumenten-Services einschließlich der Kooperation mit bewährten Herstellern und Technologiepartnern. Die Ratiodata GmbH beschäftigte am 31.12.2018 insgesamt 1.197 Mitarbeiter, darunter allein 366 in Münster als größtem Standort der Gesellschaft.

Beziehungen zu Westfalen haben auch weitere Standorte der Unterneh­mensgruppe. So hat die Lucke EDV GmbH mit Sitz in Wuppertal auch Vertriebsstandorte in Westfalen (Müns­ter und Delbrück). Das u.a. auf klassische IT-Realisierungsmaßnahmen spezialisierte Unternehmen beschäftigt ca. 250 Experten (www.lucke-edv.de).

Die SERVICECOPE AG als Servicedienstleister der genossenschaftlichen Finanzgruppe arbeitet eng mit der Fiducia & GAD zusammen. SERVICECOPE unterstützt Banken in den Bereichen Front- und Backoffice. Der Hauptsitz befindet sich in Karlsruhe, allerdings gibt es auch Unternehmensstandorte in Westfalen (in Gladbeck und Schloss Holte-Stukenbrock) (www.servicecope.de).

In Münster haben auch die gbs Gesellschaft für Banksysteme GmbH (mit 90% Beteiligung der Fiducia & GAD IT AG) und die GWS Gesellschaft für Warenwirtschaftssysteme mbH ihre Standorte. Die GWS ist einer der führenden Anbieter von Software für verbundorientierte Handels- und Wirtschaftsunternehmen in Deutschland (Betriebsstandort im Gewerbegebiet Höltenweg/Krögerweg in Münster).

Hinzu kommen zahlreiche sog. Partner im Verbund, die die Kunden im genossenschaftlichen Finanzverbund mit verschiedenen Dienstleistungen unterstützen. Von diesen haben drei ihre Standorte in Münster, und zwar die geno kom Werbeagentur GmbH und (bis 2017) der Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsverband e.V. als gesetzlicher Prüfungs-, Beratungs- und Betreuungsverband. Im Jahr 2017 fusionierte der Rheinisch-Westfälische Genossenschaftsverband in Münster mit dem Genossenschaftsverband in Frankfurt zum Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. Diese neue Vereinigung "ist der mit Abstand größte genossenschaftliche Regionalverband. Zu seinen Kernaufgaben zählen Prüfung, Beratung, Betreuung, Bildung und Interessenvertretung für seine rund 2.700 Mitglieder mit zusammen etwa acht Millionen genossenschaftlichen Anteilseignern in 14 Bundesländern" (www.genossenschaftsverband.de). Zu den Partnern im Verbund zählt in Münster auch die WL Bank AG (Westfälische Landschaft Bodenkreditbank).

Die Fiducia & GAD IT AG übt mit mehreren bedeutenden Firmenstandorten der Unternehmensgruppe und Verbundpartnern sowie deren vielfältigen Vernetzungen wichtige oberzentrale Metropolfunktionen für das westfälische Münster aus.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2019