Landschaftsnamen und Flurnamen in Westfalen

01.01.2007 Herbert Liedtke

Kategorie: Gebiet und Identität

Schlagworte: Westfalen · Landschaft · Flurname

Als der Mensch sprechen konnte, lernte er, die Sprache zu nutzen, um seine Umgebung zu benennen. So entstanden die geographischen Namen. Zu ihnen gehören alle Namen, die der Orientierung auf der Erde dienen, also Namen von Orten, Straßen, Plätzen, Hügeln, Bergen, Gebirgen oder Flüssen, aber auch Landschaften und deren kleinere Einheiten, die Fluren. Die ersten geographischen Namen waren den einfachen Bedürfnissen unserer frühen Vorfahren angepasst und bezogen sich auf das sie umgebende Milieu. Typisch sind Namen wie Bockholter Berge, Strönfeld, Halverder Moor, Wintermanns Sand, Dörenschlucht oder Thüster Berg. Diese Namen benennen kleinräumige Areale, die meist zur Gänze innerhalb der Gemarkung eines einzigen Ortes liegen. Sie werden als Flur bezeichnet. Daneben gibt es große Gebiete, die sich über mehrere Gemarkungen erstrecken und die sich durch ein bestimmendes Merkmal hervorheben, etwa Briloner Hochfläche oder Teutoburger Wald. Solche Areale werden als Landschaft bezeichnet.
Abb. 1: Historische Flurnamen in Bochum-Querenburg (Quelle: V. Frielinghaus 1971)

Die Zuordnung eines Areals zu den Fluren oder zu den Landschaften ist theoretisch einfach; in der Praxis ergeben sich aber oft Probleme. Flurbezeichnungen beziehen sich zwar immer auf ein fest umrissenes Areal innerhalb der Gemarkung eines Ortes, wogegen Landschaften übergeordnete Gebiete benennen; aber was tut man mit einer sehr großen Flur, die in einer übergroßen Gemarkung liegt? Das gibt es häufig in Waldgebirgen oder ertragsarmen Landesteilen, wo nur eine geringe Bevölkerungsdichte besteht und nur wenige Siedlungen vorhanden sind. Allerdings ist es nicht angebracht, eine definierte Flächengröße zur Trennung von Flur und Landschaft zu verwenden, weil dann große Fluren automatisch zu Landschaften werden würden oder kleinere, aber überregional bekannte Landschaften den Fluren zugeschlagen werden müssten. Bei der Abwägung solcher Grenzfälle muss dem Bearbeiter die Entscheidung der Zuordnung überlassen werden. Auch ist zu bedenken, dass im 19. und 20. Jh. in den stadtnahen Bereichen Eingemeindungen großen Stils erfolgten und dass die Gemeindereform in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in den meisten Ländern der Bundesrepublik Deutschland zu erheblicher Vergrößerung der verbliebenen Gemeinden geführt hat. Das hat einerseits den Verlust unzähliger Flurnamen in den Städten und andererseits eine rigorose Verminderung der Zahl der Gemeinden auf dem Lande bewirkt. Dadurch wird die Entscheidung, eine Fläche den Landschaften oder den Fluren zuzuordnen, nicht gerade erleichtert.

Viele Flurnamen weisen auf die Nutzbarkeit der Flur oder auf deren Eigentümer hin, so die Endungen -feld oder -kamp, wie das auf der Karte von Querenburg der Fall ist (Abb. 1): Auf’m Felde, Auf’m Kamp, Burscheider Feld, Buttenkamp, Im Westenfelde, Im Ümminger Felde und Rittersfeld. Es fällt auf, dass es keine Namen auf die Endung  -heide gibt, die im Norden Westfalens gehäuft auftreten. Dort gibt es häufig sandige Flächen mit einst extensiver Weidenutzung. Diese wurde erst nach 1815 zu Gunsten systematischer Aufforstung aufgegeben, aber die alten Flurnamen haben sich meist noch bis heute erhalten, mitunter in den Namen von Stadtteilen oder von Straßen. Das gilt natürlich auch für andere Flurnamen.

Abb. 2: Wichtigste benannte Landschaften in Westfalen (Quelle: Bundesrepublik Deutschland 1:1 Mio. "Landschaften", Frankfurt a.M. 2002, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie und Ständiger Ausschuss für geographische Namen)

Die Namen von Landschaften und Fluren waren ursprünglich vorwiegend naturbezogen, aber mit dem Aufkommen von persönlichem Eigentum an Grund und Boden kamen Namen hinzu, die vor allem bei den Flurnamen auf die Zugehörigkeit zu einer Person (Lammersfeld) oder bei den Landschaftsnamen zu einem Territorium (Delbrücker Land) hinweisen. Gelegentlich sind auch Areale mit einem Landschaftsnamen bedacht worden, in denen eine besondere Wirtschaftsstruktur vorherrscht (Siegerland, Ruhrgebiet).

Flur- und Landschaftsnamen sind nicht unbedingt beständig. Besonders jene, die auf einen Besitzer hinweisen, verändern Namen und Abgrenzungen, wenn der Besitzer aus den unterschiedlichsten Gründen wechselt. Das zeigt sich sehr deutlich an den frühmittelalterlichen Gaunamen, von denen sich nach der Einsetzung von Territorialherren nur wenige erhalten  haben (Nethegau bei Brakel). Landschaftsnamen sind also Ausdruck der Geschichte ihrer Zeit.

Flurnamen werden nur auf den großmaßstäbigen Karten größer als 1:20000 (Katasterkarten, Abb. 1) dargestellt. Dagegen ist die Eintragung von Landschaftsnamen schwieriger, denn diese konkurrieren oft mit den vielen Ortsnamen der unmittelbaren Umgebung, so dass es vorkommt, dass ein wenig sorgsamer Kartograph die Lage einer Landschaft dort einträgt, wo sich noch Platz findet. Um eine möglichst genaue Platzierung von Landschaften vornehmen zu können, dient die Karte der Landschaften 1:1 Mio., die in Abb. 2 verkleinert vorgelegt wird. Auf ihr ist die Begrenzung von Landschaften umrissen. Das hat für den Kartographen den Vorteil zu wissen, über welches Gebiet sich der Name erstrecken muss. Außerdem lässt sich auf diese Weise die Größe einer Landschaft leicht ermitteln, was im Zeitalter der Computer für statistische Zwecke von Belang ist.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007