"Westfalia"-Zentrifugen – die Geschichte eines Hidden Champions aus Oelde
Anfänge und Unternehmensentwicklung
Als im Jahr 1893 Franz Ramesohl und sein Schwager Franz Schmidt in Oelde (Kr. Warendorf) eine handbetriebene Milchschleuder zur Gewinnung von Rahm und Magermilch entwickelten und zum Patent anmeldeten, begann der Aufstieg der Firma Westfalia Separator Oelde, heute Teil der GEA Group Düsseldorf.
Diese beiden Männer eröffneten eine Werkstatt und stellten "Hand-Milch-Zentrifugen" mit dem Modellnamen "Westfalia" her. Mit drei Schlossern und zwei Drehern begann die Ramesohl & Schmidt oHG. Hergestellt wurden die handbetriebenen Milch-Zentrifugen mit einfachsten, aber effektiven Arbeitsmitteln. Im Jahr 1897 betrug die Jahresproduktion bereits 2.000 Zentrifugen, bei einer Zahl von mittlerweile 60 Mitarbeitenden.
1901 versuchte sich der Betrieb auch in der Produktion von Motorrädern. Diese wurde jedoch im selben Jahr wieder eingestellt. 1906 stieg man mit inzwischen 110 Mitarbeitenden in die Herstellung von Automobilen ein. Auch diese Produktionslinie war nicht von Erfolg gekrönt.
1915 wurde der bis dahin als Buchprüfer im Unternehmen tätige Werner Habig Direktor, kurze Zeit später auch Gesellschafter. Er führte das Unternehmen als Vorstandsvorsitzender bis 1971 und wechselte dann in den Aufsichtsrat; ihm folgte der Mann seiner Tochter Margot, Otto Müller-Habig, und später dessen Sohn Wolfgang. Die Familie engagierte sich zeitlebens in Oelde in den Bereichen Bildung, Kirche und sozialer Wohnungsbau. Insbesondere Margot Müller-Harbig (1919–2007) förderte die Kunst und Kultur und gilt als Gründerin der Familienbildungsstätte in Oelde im Jahr 1972.
1926 wurde die Produktion um Eimermelkmaschinen erweitert. Die erste fahrbare Melkanlage für den Weidebetrieb wurde 1927 bei einer landwirtschaftlichen Ausstellung in Dortmund präsentiert. 1941 wurde die zwischenzeitlich in eine Aktiengesellschaft umgewandelte Ramesohl & Schmidt AG in die Westfalia Separator AG umbenannt. Während des Zweiten Weltkrieges kam die Produktion quasi zum Erliegen, aber bereits im Jahr 1954 exportierte das Unternehmen seine Produkte in mittlerweile 70 Länder. 1955 erfolgte der Bau der ersten Dekanterzentrifuge zur mechanischen Trennung von Feststoffen aus Flüssigkeiten.
Westfalia Separator als Teil der GEA Group
1987 wurde das Unternehmen in die Bereiche Landtechnik und Trenntechnik aufgeteilt und 1994 von der GEA AG übernommen. Die heutige GEA Group ist der Zusammenschluss der 1881 gegründeten Metallgesellschaft AG (MG) in Frankfurt und der Bochumer Gesellschaft für Entstaubungs-Anlagen mbH (GEA), die 1920 von Otto Happel gegründet wurde. Zunächst wurde der Firmensitz von Frankfurt nach Bochum, 2010/11 dann nach Düsseldorf verlegt. Es entstand einer der weltweit größten Systemanbieter für die Nahrungsmittel-, Getränke- und Pharmaindustrie. Mit mehr als 18.000 Beschäftigten in 62 Ländern generierte der Konzern im Geschäftsjahr 2022 einen Umsatz von über 5,1 Mrd. Euro (Abb. 1). Organisatorisch ist GEA in fünf Divisionen aufgebaut, darunter Separation & Flow Technologies, zu der die GEA Westfalia Separator Group (vor allem in Oelde) zählt. Weitere Divisionen sind: Farm Technologies, Liquid & Powder Technologies, Food & Healthcare Technologies und Heating & Refrigeration Technologies.
Überall dort, wo Flüssigkeiten oder Feststoffe aus Flüssigkeiten getrennt, also separiert, werden müssen, kommen GEA-Produkte zum Einsatz – sei es bei der Herstellung von Milch und Käse, Getränken, Impf- und Arzneistoffen oder bei der Wassergewinnung und Abwasserbehandlung. GEA-Separatoren und Zentrifugen spielen dabei eine wesentliche Rolle (Abb. 2). Sie werden in über 3.500 unterschiedlichen Anwendungen in verschiedensten Industrien eingesetzt. Wachstumstreiber sind derzeit Anwendungen zur alternativen Proteinproduktion (vegane Lebensmittel) sowie die weltweite Nachfrage an Molkereiprodukten. Pro Jahr führen 1.100 Servicekräfte rd. 90.000 Montage- und Reparatureinsätze in 153 Ländern durch.
Der Standort in Oelde
Aus den Unternehmens-Wurzeln entwickelte sich der heutige GEA Standort in Oelde. Hier befindet sich das nach eigenen Angaben weltweit modernste Separatorenwerk (Abb. 3). Die Produkte "made in Oelde" werden in alle Welt geliefert. Die Exportquote liegt aktuell bei über 80%. Abnehmer sind vor allem die Nahrungs- und Getränkebranche, die Schifffahrt/Marine, die Öl- und Gasbranche bis hin zur Energie-, Chemie-, Pharmazie- und Umwelttechnik. Damit gilt das Unternehmen als ein Hidden Champion in Westfalen (s. Beitrag Hübschen). In Oelde sind im Jahr 2023, 130 Jahre nach Gründung des Unternehmens, rd. 1.900 Mitarbeitende beschäftigt, davon 180 Auszubildende in 9 Berufen und 7 dualen Studiengängen. Oelde ist damit der größte Standort der GEA-Group weltweit. An der Werner-Habig-Straße werden auf über 85.000 m² Produktionsfläche die Hauptprodukte Separatoren (Abb. 4) und Zentrifugen, Dekanter und Anlagen (Komplettlösungen) hergestellt und ständig weiterentwickelt – mittlerweile natürlich auch mit digitalen Sensoren, intelligenten Steuerungen und künstlicher Intelligenz versehen. Immer wichtiger wird dabei auch der möglichst geringe Energieverbrauch der Anlagen. Um den Standort auch langfristig abzusichern, wurde im Jahr 2023 ein Investitionspaket in Höhe von 35 Mio. Euro aufgelegt.
Seit 2003 existiert am Standort Oelde das Zentrifugenmuseum, das 2023 zum 20-jährigen Jubiläum renoviert und neu eröffnet wurde. Rund 160 Exponate zeigen die Geschichte der Firma wie auch die Evolution der Zentrifugen im Allgemeinen.
Bis heute bildet die Firma über Bedarf aus. Schon 1924 wurde eine erste Werkschule eingerichtet, um eigenes Personal auszubilden. Überregionale Auszeichnungen und Gütesiegel der vergangenen Jahre sind Beweis für die überdurchschnittlich gute Arbeit im Rahmen der betrieblichen Ausbildung.
Investitionen in eine nachhaltige Zukunft
Bis 2040 will GEA die Klimaneutralität erreichen. Dabei sollen die Treibhaus-Emissionen bis 2026 um 60% reduziert werden. Mit einer Investition von rd. 175 Mio. Euro will GEA die Betriebsabläufe optimieren, u.a. durch den alleinigen Einsatz von erneuerbaren Energien, die Optimierung bei Lieferanten und die Transformation des Produktportfolios. Hierdurch sollen Lösungen angeboten werden, mit denen auch die Kunden ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren können.
Ende 2023 wurde GEA als einziges deutsches Unternehmen neu in den renommierten Dow Jones Sustainability World Index, den "Nachhaltigkeits-Index", aufgenommen.
Weiterführende Literatur/Quellen
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Die Glocke, 12.05.2023: "GEA investiert 35 Millionen Euro am Standort Oelde"
(https://www.die-glocke.de/kreis-warendorf/oelde/artikel/gea-investiert-35-millionen-euro-am-standort-oelde-1683822070) -
GEA Group AG (Hg.) (2023): Geschäftsbericht 2022. Düsseldorf
(https://www.gea.com/de/binaries/annual-report-2022-de_tcm24-112994.pdf) -
ntv, 12.12.2023: "GEA nimmt viel Geld für Klimaschutz in die Hand"
(https://www.n-tv.de/wirtschaft/der_boersen_tag/Der-Boersen-Tag-Dienstag-12-Dezember-2023-article24593899.html) -
https://www.gea.com/de
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https://www.kreis-warendorf.de/unsere-themen/kreisarchiv/aus-dem-dunkel-ans-licht-kleine-archivausstellungen/die-familie-habig
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https://www.kulturelles-net.de/margot-mueller-habig
Erstveröffentlichung 2024