Halden-Hügel-Hopping als neues Themen- und Bergwandern im nördlichen Ruhrgebiet

23.02.2017 Sven Ahrens

Inhalt

Region und touristische Kernthemen

Im Beitrag "Tourismus fördern zwischen Emscher und Lippe" (Ahrens 2007) wurde mit Stand 2007 eine touristische Einordnung des Kreises Recklinghausen vorgenommen. Als zielführende Produktlinien für eine touristische Entwicklung und Profilierung der Kreisregion wurden prioritär Radfahren, Reiten und Wandern neben der Industriekultur heraus gestellt. In allen drei Bereichen erfolgten bis 2015 gezielt Produktentwicklungen. Mithilfe von Ziel-2-Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen und der EU, konkret den aus EFRE finanzierten Wettbewerben "Erlebnis.NRW – Tourismuswirtschaft stärken" (2007–2013), wurden in der Region drei Projekte realisiert. Beim Radfahren handelt es sich um die 2013 eröffnete "Römer-Lippe-Route" als rd. 295 km langer Fluß- und Themenradweg (www.roemerlipperoute.de). Beim Reiten ist es seit 2014 die "Pferderegion Münsterland" mit dem Kernprodukt der fast 1.000 km langen Münsterland-Reitroute (www.pferderegion-muensterland.de). Zum Wandern wurde das "Halden-Hügel-Hopping" (www.halden-huegel-hopping.de) als touristisches Angebot am 08.05.2015 eröffnet. Erstere sind Infrastruktur- und Marketingprojekte, während letzteres ein reines Marketingprojekt ist.

Idee, Förderziele und Planung des HHH

Das Projektziel des Halden-Hügel-Hopping (kurz: HHH) wurde im Förderantrag knapp beschrieben: Initialisierung, Detailplanung und Einrichtung einer thematisch aufgeladenen Qualitätswanderroute mit Alleinstellungsmerkmal Halden, Berge und andere Hochpunkte im Ruhrgebiet nebst ihrer Profilierung am Markt zur Steigerung von Gästezahl und Wertschöpfung.

Mit der Realisierung des Projektes, für das Ende 2012 ein kleines Budget von rd. 150.000 Euro Fördermitteln bewilligt wurde, wurden konkrete touristische Ziele und Erfolgskriterien verfolgt. So soll das HHH eine unmittelbare Ergänzung zu dem insbesondere im Naturpark Hohe Mark und der Haard schon etablierten Wandern in der Natur-Landschaft schaffen. Es soll für die Gäste das Wandern in der Stadt-Landschaft erschließen und dabei neue Perspektiven auf Raum, Natur und Industriekultur eröffnen. Das HHH soll einen wesentlichen Beitrag leisten, Wandern und das Ruhrgebiet überhaupt miteinander zu assoziieren, als Teil des touristischen Angebotsprofils der Region wahrgenommen zu werden und das Image der Region zu stärken.

Kern der Planungen des HHH sind mehrere miteinander vernetzte Wanderrouten, die insbesondere auf den topographischen Hochpunkten, wie künstlichen Bergehalden und natürlichen Hügeln, immer neue Rundblicke ermöglichen und eine thematische Aufladung zur Stadt-Landschaft, ihrer Veränderung im Laufe der Zeit und der Industriekultur erfahrbar machen sollen. Auf den Wandertouren soll so die Situation in der Region vor der Industrialisierung (u.a. Bruchwälder, dünne Besiedlung, Schlösser), die raumwirksame Entwicklung in ihrer Hochphase ab Ende des 19. Jh. (u.a. Bergbau, Industrieansiedlung, Siedlungsverdichtung, Schüttung von Bergehalden) und ihre Nachentwicklung mit Ende des Bergbaus spätestens in 2018 (u.a. Flächenrecycling, Renaturierung, Industriekultur) zugänglich gemacht werden.

Abb. 1: Europas größte Haldenlandschaft: Hoheward mit Hoppenbruch im Kreis Reck- linghausen (Quelle: Stadt Herten)

Projektrealisierung – mit App

HHH steht für Themen- und Bergwandern im nördlichen Ruhrgebiet. Beim Wandern auf den zwölf Thementouren mit insgesamt rd. 185 km, 2.500 Höhenmetern und 150 virtuellen Erzählstationen kann der Wanderer etwas zu den Einzelthemen Bergbau mit Strukturwandel, Landschaftswandel, Industriekultur, Industrienatur, Städte und den Menschen erfahren. Die Touren verlaufen über 17 Bergehalden, fünf natürliche Berge und den vestischen Höhenrücken, durch die Täler der Flüsse dazwischen und durch die Siedlungen. Erwandert werden Plateau-, Tafel-, Spiralberg, Vulkan, Spitzkegel und anders geformte Landschaftsbauwerke, welche meist als grüne Berge wahrnehmbar sind (Abb. 1). Auf den Touren können spezifische Fauna und Flora genauso entdeckt werden wie Installationen auf den Haldentops in Form von Obelisk und Tetraeder sowie Anschauungstechnik wie Himmelsobservatorium und Sonnenuhr. Im Zentrum der Wanderrouten liegt Europas größte Haldenlandschaft Hoheward in Herten (Abb. 1; s. Beitrag Seidel). Einbezogen ist aber ebenso die Haard als größter zusammenhängender Wald der Region, der ursprünglich nur Quelle für Grubenholz sein soll. Beide Gebiete sind heute von größter Bedeutung für Freizeit und Tourismus.

Der Zugang zu den Thementouren wird dem Wandergast auf drei Arten ermöglicht: Ausführlich mit einem persönlichen Wanderführer, individuell und "smart" mit dem digitalen Wanderführer im Smartphone oder schlicht mit GPS-Gerät oder Handkarte.

Bei der Wegweisung auf den Touren des HHH wird erstmals ein vom klassischen abweichender, innovativer Ansatz verfolgt. Klassisch erfolgt die Wegweisung auf Wanderwegen durch einfache Markierungen (z.B. X oder Raute) in Sichtweite an Bäumen und anderen Objekten am Wegesrand oder durch Zielwegweisungen mit Orts- und Distanzangaben. Beim HHH wird dem Individualwanderer ein mobiles Wegweisungssystem ohne physische Kennzeichnung in der Örtlichkeit angeboten.

Abb. 2: Screenshots aus der App Halden-Hügel-Navi: Startseite, Übersichtskarte und Listenansicht der Touren, Tourbeschreibung, Karte im Navigationsmodus, Beispiel "Erzählstation" (Quelle: www.kreis-recklinghausen.de)

Das "Halden-Hügel-Navi" ist eine kostenlose App und als digitaler Wanderführer für Smartphones konzipiert (Abb. 2). Es übernimmt die exakte Wegweisung optisch und akustisch zu den Startpunkten der Touren, auf den Thementouren selbst und den Querverbindungen dazwischen. Die App stellt die wesentlichen Inhalte an den virtuellen Erzählstationen bereit und ersetzt so zugleich Infotafeln am Wegesrand. Es handelt sich um ein zeitgemäßes Wegweisungssystem mit einigen Vorteilen bezüglich der Flexibilität der Routenführung (z.B. bei notwendigen Sperrungen, ggf. Erweiterung), Schonung von Stadt- und Landschaftsbild sowie Erstinvestitions- und Folgekosten.

Die App bietet neben den themenspezifischen Inhalten des HHH auch allgemein für Gäste interessante Informationen als touristische POI (points of interest) in den Rubriken "Lohnende Ergänzung" zum HHH (klassische POI, Landmarken, Route der Industriekultur etc.), Wandernützliches (z.B. Wanderparkplätze) sowie zu verschiedenen Gastronomie-, Versorgungs- und Übernachtungsangeboten. Ebenfalls integriert sind Funktionen wie Anreiseplaner, ÖPNV-Fahrpläne, Veranstaltungskalender sowie Extras wie eine digitale Grußkarte und der "Halden-Top-Sammler" als virtuelles Stempelheft für Wanderer auf den Touren des HHH.

Die kartographische Darstellung erfolgt je nach ausgewählter Zoomstufe in einer vereinfachten Übersichtskarte oder einer erweiterten, gebäudescharfen Detailkarte aus OSM (OpenStreetMap) und alternativ auf Satellitenbildern.

Effekte und Perspektiven

HHH ist ein Pilotprojekt, mit dem drei innovative Momente realisiert werden: Das Wandern wird räumlich von der reinen Natur- auf die Stadt-Landschaft erweitert, als Themenwandern bietet es neben Bewegung auch Erzählstationen mit themenspezifischen Inhalten an und die Wegweisung erfolgt nur digital ohne Beschilderung, da die App alles beinhaltet, was ein Wanderer braucht. Der Deutsche Alpenverein bezeichnet HHH als "gewissermaßen Kulturwandern für Fortgeschrittene mit technischer Minimalausstattung" (Klemm 2015, S. 28). HHH verknüpft die Industriekultur als touristisches Profilierungsthema der Destination Ruhrgebiet mit der hier bisher kaum verorteten Aktivität Wandern. Ebenso leistet HHH einen Beitrag zum Marketing des nördlichen Ruhrgebiets, seiner Kulturlandschaft, seines ungewöhnlichen touristischen Angebots sowie zu einem positiven und grünen Image. Um auch dem Ziel des Förderprojektes hinsichtlich der Wertschöpfung gerecht zu werden, müssen in den nächsten Jahren 3,7% der Zielgruppe oder rd. 70.000 Gäste für das HHH aktiviert werden, die zu 90% als Tages- und zu 10% als Übernachtungsgäste mit durchschnittlich 1,5 Nächten erwartet werden.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2016