Kinder in Kindertagesbetreuung in Westfalen im Jahr 2023

07.11.2023 Peter Wittkampf

Kategorie: Bevölkerung

Schlagworte: Westfalen · Kindertagesbetreuung

Inhalt

Am 1. März 2023 wurden in Westfalen 299.900 Kinder in Tageseinrichtungen (Kindergärten, Kitas) oder in öffentlich geförderter Kindertagespflege (also z.B. durch "Tagesmütter") betreut, ca. 3% mehr als im Jahr 2021 (IT.NRW). Etwa 25% dieser betreuten Kinder waren noch keine drei Jahre alt. Bezogen auf die Gesamtheit aller Kinder der Altersgruppe bis sechs Jahre gilt, vereinfacht gesagt, dass in Westfalen rd. 30% aller Kinder unter 3 Jahren und ca. 90% aller Kinder unter 6 Jahren in diese Einrichtungen gehen; zusammen entspricht dies einem Anteil von etwa 60% aller bis zu sechs Jahre alten Kinder.

Zunehmende Inanspruchnahme der Tagesbetreuung

Die Anzahl der Kinder in Kitas und Tagespflege hat sich in letzter Zeit deutlich erhöht (IT.NRW; s. Beitrag Wittkampf). Gerade wenn beide Elternteile berufstätig sind, werden die Kinder, sofern dies möglich ist, in zunehmendem Maße einer Kita bzw. Tagesmutter (einem Tagesvater) anvertraut. In manchen Teilregionen ist dies in besonders ausgeprägtem Maße der Fall, etwa im Münsterland. Hier hatten die Kreise im Jahr 2022 NRW-weit auch die niedrigsten Arbeitslosenquoten (IT.NRW). Hinzu kommt, dass z.B. in Müns­ter und im Kreis Steinfurt im Jahr 2018 jeweils fast 50% aller Erwerbstätigen Frauen waren. In Gelsenkirchen (44%) oder Hagen (45%) z.B. war der Frauen-Anteil hier um einiges niedriger (IT.NRW). Die beiden Kreise, in denen die Steigerungsrate bei der Anzahl der Kinder in Kitas bzw. Tagespflege seit 2018 westfalenweit am höchsten war, kommen mit Steinfurt (+18,9%) und Coesfeld (+17,6%) ebenfalls aus dem Münsterland (IT.NRW).

Dass die absoluten Zahlen der Kinder in Kindertagesbetreuung natürlich in bevölkerungsreichen Städten und Kreisen, z.B. also in Dortmund, in den Kreisen Recklinghausen oder Steinfurt, höher sind als etwa in Herne oder in den Kreisen Olpe oder Höxter, versteht sich von selbst. Aber die Zahl der betreuten Kinder steigt dennoch keineswegs proportional zur Einwohnerzahl an. So hat z.B. der Märkische Kreis deutlich mehr Einwohner als der Kreis Borken, aber erheblich weniger Kinder in Kindertagesbetreuung. Ebenso liegt die Einwohnerzahl der Stadt Gelsenkirchen deutlich höher als die des Kreises Coesfeld, während die Zahlen der "offiziell" betreuten Kinder sich umgekehrt verhalten (IT.NRW). Wichtig ist daher die Betrachtung der Betreuungsquote, also des prozentualen Anteils der betreuten Kinder an der Gesamtheit aller Kinder einer bestimmten Altersgruppe. Dieser Anteil ist innerhalb Westfalens sehr unterschiedlich.

Abb. 1: Betreuungsquote der Kinder unter 3 Jahren am 1. März 2023 sowie deren Entwicklung 2018−2023 in den Kreisen / kreisfreien Städten Westfalens (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Betreuungsquoten

Die auffälligsten innerwestfälischen Unterschiede und Entwicklungstendenzen zeigen sich speziell in der Altersstufe der unter 3 Jahre alten Kinder (Abb. 1).

Die Spanne der Betreuungsquoten, also der in Kitas bzw. öffentlich geförderten Tagespflegeeinrichtungen betreuten Kinder pro 100 Kinder der Altersgruppe "U3" insgesamt, reichte am 1. März 2023 von 18,1% in Gelsenkirchen bis 42,5% im Kreis Coesfeld. Besonders hoch waren die Quoten im Münsterland sowie im Kreis Paderborn. Nach dem Kreis Coesfeld belegten Münster (40,5%) sowie die Kreise Steinfurt (39,4%), Borken (36,2%) und Warendorf (35,5%) die nächsten Plätze. Besonders niedrige Quoten gab es dagegen, außer in Gelsenkirchen, noch in Hagen (21,5%) und Herne (24,1%).

Sehr deutlich zugelegt haben in den letzten Jahren die Zahlen speziell der Unter-3-Jährigen, die in eine Kita oder Tagespflege gegeben werden. Wenn man einen Fünfjahresvergleich anstellt, zeigt sich, dass sich die Betreuungsquote in dieser Altersgruppe von 2018 bis 2023 fast überall erhöht hat. Einzige Ausnahme ist Gelsenkirchen, wo sogar eine Abnahme um 6,2% zu verzeichnen war. Dort, wo die Betreuungsquote 2018 ohnehin schon hoch gewesen ist, nämlich vor allem im Münsterland, fielen die Steigerungsraten moderater aus als beispielsweise im Kreis Höxter, wo sie bei +26,2% lag, dem westfalenweit höchsten Wert. Immerhin verzeichnete aber auch z.B. der Kreis Steinfurt noch eine Steigerung von 19,8% (Abb. 1).

Bei der Betreuungsquote einjähriger Kinder reicht die Spannweite in Westfalen im Jahr 2023 von 13% in Gelsenkirchen bis zu 42,8% in Müns­ter (IT.NRW).

Die Betreuungsquote von Unter-1-Jährigen ist dagegen vergleichsweise niedrig. In Münster z.B. liegt sie 2023 bei 1,2% (IT.NRW).

Von den 3- bis 6-Jährigen wurden am 1. März 2023 in Münster 96,2% in einer Kita bzw. öffentlich geförderten Kindertagespflegeeinrichtung betreut, im Kreis Steinfurt waren es mit 96,1% kaum weniger. Diesen Spitzenwerten stehen die Städte Herne mit 76,6% und Gelsenkirchen (78,8%) gegenüber (Abb. 2).

Abb. 2: Betreuungsquote der Kinder von 3 bis unter 6 Jahren am 1. März 2023 sowie deren Entwicklung 2018−2023 in den Kreisen / kreisfreien Städten Westfalens (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Mögliche Gründe für die unterschiedlichen Betreuungsquoten

Es gibt inzwischen eine Reihe von Untersuchungen zu der Frage, warum in manchen Teilregionen sehr viele Kinder schon sehr früh in eine Kita bzw. Tagespflege gegeben werden, in manchen Teilregionen dagegen erst deutlich später oder gar nicht.

Spieß (2021) etwa stellt in ihrer Untersuchung zu den Gründen für die unterschiedliche Inanspruchnahme der Kitas, wiedergegeben in einer Veröffentlichung der Konrad- Adenauer-Stiftung, fest: "Haben Mütter eine geringere Bildung oder beide Eltern einen Migrationshintergrund, dann besuchen ihre Kinder in den ersten drei Lebensjahren seltener eine Kita".

Der "Mediendienst Integration" (2022) nennt folgende Gründe: "[…] je höher der Bildungsabschluss, desto eher entscheiden sich Eltern für eine Betreuung in der Kita. Nur Eltern, die selbst eingewandert sich, lassen ihre Kleinkinder besonders häufig zuhause. Das liegt daran, dass sie wenig Erfahrung mit dem deutschen Bildungssys­tem haben oder andere Erwartungen an die Betreuung und den Eintrittszeitpunkt in die Kita. Weitere Hürden sind fehlende mehrsprachige Angebote oder die Entfernung der Kitas".

Nach Burghardt von der Universität Bamberg (zitiert im Jugendhilfeportal, 2019) besteht ein wesentliches Problem darin, dass manchen Eltern "oft nicht bewusst ist, wie früh man sich in vielen Gegenden für einen Kita-Platz bewerben muss."

Weitere mögliche "Zugangsbarrieren" werden z.B. im "Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme" (2021) genannt, u.a.: "Einstellungen und Normen der Familie, Kosten für die Kindertagesbetreuung, die Entfernung zur Kita, religiöse Vorstellungen, Informationsbedarf und Transparenz, Angst vor Entfremdung, […] die sprachlich-kulturelle Zusammensetzung und die interkulturellen Kompetenzen des Personals".

Herausforderungen

Die Arbeit des Kita-Personals wird – nach der Corona-Pandemie und der Einführung langer Öffnungszeiten – in zusätzlichem Maße erschwert durch die zunehmende Zahl an

  • Kleinstkindern, die ja einen besonderen Zuwendungs- und Pflegebedarf haben,
  • Kindern ohne (hinreichende) Deutschkenntnisse sowie
  • Kindern und Eltern, denen es aufgrund ihrer soziokulturellen Hintergründe schwerfällt, sich in die hiesigen Denk- und Lebensweisen einzufügen, etwa bei der Akzeptanz der Rolle der Frau.

Arbeitsüberlastung sowie immer mehr Krankmeldungen und Kündigungen sind die Folge, beide Aspekte steigern sich dabei gegenseitig. Im März 2023 hieß es in einer Meldung des WDR, nach einer Vorlage der NRW-Familienministerin Josefine Paul seien im vorangegangenen Monat fast 1.100 Kitas "von Stundenreduzierungen, Gruppenschließungen oder Komplettschließungen betroffen" gewesen. Ob hier die Politik wirksame Lösungen bereitstellen kann, bleibt abzuwarten.

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Weiterführende Literatur/Quellen

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023): Kindertagesbetreuung. 
    (https://www.it.nrw/statistik/gesellschaft-und-staat/bildung-und-kultur/kindertagesbetreuung; abgerufen am 12.09.2023)

  • Jugendhilfeportal (Hg.) (2019): Aktuelle Studie: Kein Kita-Platz für Kinder mit Migrationshintergrund.
    (https://jugendhilfeportal.de/artikel/aktuelle-studie-kein-kita-platz-fuer-kinder-mit-migrationshintergrund; abgerufen am 16.10.2023)

  • Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme (Hg. Bertelsmann Stiftung) (2021): Kinder nach Migrationshintergrund in KiTas (01.03.2021).
    (https://www.laendermonitor.de/de/fokus-regionale-daten/kinder-und-eltern/migrationshintergrund-1; abgerufen am 16.10.2023)

  • Neues Ruhrwort (Hg.) (2023): Familien mit Migrationshintergrund nutzen Kitas weniger.
    (https://neuesruhrwort.de/2023/08/02/familien-mit-migrationshintergrund-nutzen-kitas-weniger; abgerufen am 16.10.2023)

  • NEWS4TEACHERS – Das Bildungsmagazin (Hg.) (2023): Nach Umfrage: Verdi fürchtet Personalflucht aus den Kitas – wegen Überlastung.
    (https://www.news4teachers.de/2023/02/nach-umfrage-verdi-fuerchtet-personalflucht-aus-den-kitas-wegen-ueberlastung; abgerufen am 16.10.2023)

  • Spieß, C. K. (2021): Neutral geht gar nicht. Es fängt früh an. In: Die politische Meinung, 26.02.2021.
    (https://www.kas.de/de/web/die-politische-meinung/artikel/detail/-/content/es-faengt-frueh-an; abgerufen am 16.10.2023)

  • WDR / Scheel, O. (2023): Personalmangel: Dramatische Zustände in unseren Kitas.
    (https://www1.wdr.de/nachrichten/dklk-studie-erzieherinnen-mangel-kita-100.html; abgerufen am 16.10.2023)

  • https://www.westfalen-regional.de/de/kitas

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Erstveröffentlichung 2023

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