weitere Autorin: Jana Werring
Neue Stadtquartiere in Münster durch Konversion militärischer Liegenschaften
Konversion, als Neunutzung ehemals militärischer Liegenschaften mit zivilen Nutzungen verstanden, die durch den Abzug verbündeter oder nationaler Streitkräfte zur Verfügung stehen, bietet die Möglichkeit zur (Brach-)Flächen-Aktivierung im Bestand und kann damit als Element einer nachhaltigen Stadtentwicklung verstanden werden. Ehemalige Kasernen in innenstadtnaher und zumeist integrierter Lage oder auch oftmals im Außenbereich gelegene Truppenübungsplätze bieten sowohl Möglichkeiten, die Wohnbau- und Gewerbeflächennachfrage zu befriedigen als auch Hochschulstandorte auszubauen und durch gezielte planerische Steuerung die Gesamtentwicklung von Stadtteilen zu fördern, die bis dato durch die - in der Regel isolierte - militärische Nutzung gehemmt wurde (s. Beitrag Schmidtchen).
Aufgrund des zunehmenden Rückzugs der in Münster stationierten britischen Streitkräfte ist die Konversionsthematik seit Anfang der 1990er Jahre zunehmend in den Blickwinkel von Kommunalpolitik und Stadtplanung geraten. Bis zum Anfang der 1990er Jahre waren ca. 1.021 ha (= ca. 3,3 % des Stadtgebietes) als militärisch genutztes Gebiet aus der Stadtentwicklungsplanung ausgeklammert. Seitdem wurden bis zum Jahr 2006 197 ha (ca. 20 %) dieser Flächen freigegeben, die sich auf insgesamt 19 Liegenschaften verteilen. Abb. 1 zeigt, dass die acht dargestellten, bedeutendsten Konversionsprojekte, die heute voll in die sie umgebenden Stadtteillagen integriert sind, besonders für eine Überführung in eine neue Nutzung prädestiniert waren und so das Stadtteilwachstum in Münsters Süden, Norden sowie in Coerde kanalisiert werden konnte, ohne dass nennenswert neue Flächen verbraucht oder versiegelt werden mussten. Im Gegensatz zu diesen "Filetstücken" sind die großflächigen und nicht intensiv genutzten, im Außenbereich liegenden Areale, bei denen es sich vor allem um Truppenübungsplätze handelt, noch keiner zivilen Nutzung zugeführt worden.
Im Folgenden werden nun diese acht Konversionsflächen kurz charakterisiert (Tab. 1). Bei den weiteren Arealen handelt es sich vor allem um Kleinstflächen. Die größte Fläche (88 ha) stand auf dem ehemaligen Kasernenkomplex der Buller-, Waterloo- und Swinton-Kaserne für eine Umnutzung zur Verfügung. An diesem städtebaulich wenig integrierten Standort entsteht seit 1998 der mit einer guten Verkehrsanbindung ausgestattete Gewerbepark Loddenheide (Anschluss B51 und Dortmund-Ems-Kanal). Die ehemalige Bebauung wurde vollständig abgerissen, worauf eine Altlastensanierung folgte. Heute ist das Gebiet durch eine große Grünfläche im Zentrum für die dort arbeitenden Menschen sowie für Naherholungsuchende geprägt. Um diesen so genannten Friedenspark herum wurde das Gesamtareal in vier Zonen für die unterschiedlichen Nutzergruppen eingeteilt. Von den 66 ha vermarktungsfähigen Baulands sind 35 ha bereits verfügbar, diese gliedern sich auf in 16,5 ha Gewerbeflächen (davon 2,8 ha für den Handel), 10,0 ha Industrieflächen sowie 8,6 ha Kerngebietsnutzung für Bürogebäude.
Beim zweitgrößten Konversionsareal handelt es sich um die Speicherstadt. Das im Norden von Coerde gelegene, 17 ha große Gebiet, vormals durch das Heeresverpflegungsamt bzw. als Versorgungs- und Militärstützpunkt der Britischen Rheinarmee genutzt, bietet heute einen Branchenmix aus verschiedenen Dienstleistungsunternehmen - beispielsweise des Kommunikations- und Beratungsbereichs oder der IT-Branche, Werkstätten und kleinere Industriebetriebe. Als erster Mieter siedelte sich bereits 1990 das Staatsarchiv an, obwohl die gesamte Liegenschaft erst 1995 freigestellt wurde. Im Gegensatz zum Gewerbepark Loddenheide wurde hier die alte Bausubstanz in Form von Speichergebäuden erhalten, saniert, nutzerorientiert umgebaut und so den neuen Anforderungen angepasst.
Im Stadtteil Coerde befinden sich zwei weitere Konversionsquartiere: das Wohnquartier Meerwiese sowie die Wohnsiedlung Hoher Heckenweg. Es handelt sich bei diesen insgesamt 19 ha großen Flächen um die ehemalige Portsmouth-Kaserne (Gebäuderenovierungen und ergänzende Neubauten) und den dazu gehörigen Sportplatz (Neubauten), die heute beide zu Wohnzwecken genutzt werden. Letztgenannte Siedlung entsteht seit 2007, nachdem sich die aus einem städtebaulichen Realisierungswettbewerb hervorgegangene "Solarsiedlung Coerde" (120 WE) mangels Nachfrage nicht verwirklichen ließ.
Dagegen konnte eine solare Bauweise bei der Solarsiedlung Gasselstiege auf einem Teilgebiet der Liegenschaft der ehemaligen Nelson-Kaserne realisiert werden. Das intergenerativ ausgerichtete Neubauviertel besteht aus insgesamt 60 Häusern, die sich aus Ein-Familien-Häusern, Doppelhäusern, Reihenhäusern und Stadtvillen zusammensetzen. Zudem werden in einem weiteren Gebäudekomplex 20 Wohnungen für betreutes Wohnen errichtet. Nördlich der Solarsiedlung befindet sich das aus gleichnamiger Kaserne hervorgegangene Lincoln-Quartier. Die denkmalgeschützten Kasernengebäude wurden den aktuellen Anforderungen privater Wohnraumnutzer angepasst, zum Beispiel durch Anbringung von Balkonen. Außerdem erfolgten eine Bestandsverdichtung durch den Neubau von zwei- bis dreistöckigen Mehrfamilien- und Reihenhäusern, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, sowie eine Ergänzung durch einen Nahversorgungsdiscounter.
Ein weiteres Konversionsareal mit der Neunutzung Wohnen ist die durch den Landeswettbewerb "Wohnen ohne eigenes Auto" entstandene Gartensiedlung Weißenburg. Das Nutzungskonzept für die ehemalige Hindenburg-Kaserne zeichnet sich durch die Besonderheit des autofreien Wohnens sowie durch ökologische Qualitäten (z. B. Dachbegrünung, Regenwasserversickerung) aus. Das südlich der Innenstadt gelegene Gebiet wurde nach der Freigabe größtenteils geräumt, wonach durch Neubau rund 130 Mietwohnungen geschaffen wurden. Das auf dem Areal der - per vertraglicher Unterschrift - autofreien Siedlung für Eigenheime vorgesehene Gelände konnte jedoch mangels Interessenten bisher nicht vermarktet werden.
Aufgrund seiner zentralen und universitätsnahen Lage bot sich das Gelände der ehemaligen Von-Einem-Kaserne für eine Konversion und spätere Nutzung für Wissenschafts- und Hochschulzwecke geradezu an. Seit Ende der 1990er Jahre wurde das Kasernengelände auf Basis eines von den Münsterschen Hochschulen erarbeiteten Nutzungskonzepts unter dem Namen Leonardo-Campus entwickelt. 16 realisierte Bauprojekte - vor allem Um-, aber auch einige Neubauten - sind heute in der Nutzung der Westfälischen Wilhelms-Universität, des Fachbereichs Architektur der Fachhochschule sowie der Kunstakademie Münster, sodass der Leonardo-Campus heute einen Schwerpunkt kreativer Hochschulbildung darstellt.
Es lässt sich festhalten, dass der Ansatz, Konversionsflächen für die Stadtentwicklung zu nutzen, nicht nur dem Prinzip des "Haushälterischen Bodenmanagements" folgt, sondern dass die realisierten Nachnutzungskonzepte ebenso auf die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit abzielen, wie die vorgestellten, mit regenerativer Energie gespeisten Wohngebiete, das Ressourcen schonende, autofreie Wohnquartier Weißenburg oder der durch Grünflächen geprägte Gewerbepark exemplarisch zeigen. Der von der Stadt Münster verfolgte Ansatz, neue Innenstadtquartiere durch die Konversion ehemaliger militärischer Liegenschaften zu entwickeln, kann als erfolgreiche Strategie für den nachhaltigen Umgang mit der begrenzten Ressource Fläche gewertet werden, der den Weg einer zukunftsfähigen Stadt- und Siedlungspolitik weist.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | Bette, J. (2008): Nachhaltige Stadtentwicklung durch Konversion militärischer Liegenschaften? Städtebauliche Entwicklungen im Kontext der Handlungsfelder "Haushälterisches Bodenmanagement" und "Standortsichernde Wirtschaftsförderung" des ExWoSt-Forschungsfeldes "Städte der Zukunft" am Beispiel der Stadt Münster und des Gewerbeparks "Loddenheide". Münster (unveröffentlichte Bachelorarbeit im Fachbereich Geowissenschaften der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster) | |
• | Hauff, T. (1998): Zukunftsperspektiven der Stadt Münster im Rahmen der nachhaltigen Stadtentwicklung. In: Heineberg, H. und K. Temlitz (Hg.): Münsterland – Osnabrücker Land/Emsland-Twente. Entwicklungspotentiale und grenzübergreifende Kooperation in europäischer Perspektive. Jahrestagung der Geographischen Kommission in Münster und Osnabrück 1998. Münster, S. 93–116 (= Westfälische Geographische Studien, Band 48) | |
• | Schmidtchen, V. (2007): Konversion militärisch genutzter Flächen – ein Problem auch in Westfalen. In: Heineberg, H. (Hg.): WESTFALEN REGIONAL. Münster, S. 286–287 (= Siedlung und Landschaft in Westfalen, Band 35) | |
• | Stadt Münster (Hg.) (1996): Konversionsbericht ´96. Strategien für die Umwandlung militärischer Liegenschaften in Münster. Münster (Berichtsvorlage an den Rat; Vorlage-Nr. 781/96) | |
• | Winkler, B. (1992): Städtebauliche Möglichkeiten und Herausforderungen der Konversion. In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 5. Bonn, S. 373–388 |
Erstveröffentlichung 2010