Kommunal geplante Kreativquartiere in Westfalen – ein Umsetzungsbericht

01.01.2012 Fabian Terbeck

Inhalt

In den vergangenen Jahren rückte das Thema "Kreativwirtschaft" bei den Kommunen mehr und mehr ins Rampenlicht. Mittlerweile wird hiermit ein ganzes Ensemble an Hoffnungen verbunden – von Impulsen für die Wirtschaftsentwicklung und den Immobilienmarkt bis hin zu positiven Effekten für das Stadtimage. Nicht zuletzt da der Austausch untereinander für Kreative wichtig ist, bilden sich in vielen Städten sog. Kreativquartiere, in denen sich bestimmte kreative Nutzungen konzentrieren. Diese haben sich häufig zu beliebten Szenevierteln entwi­ckelt, die eine überlokale Ausstrahlung besitzen, wie z. B. die Spandauer Vorstadt in Berlin, das Schanzenviertel in Hamburg oder das Belgische Viertel in Köln zeigen.

Auch in Westfalen wurden in den letzten Jahren Kreativquartiere vor allem als ein Instrument zur Gestaltung des Strukturwandels geplant und teilweise auch schon entwickelt (s. Beitrag Terbeck). Im Folgenden wird die Umsetzung dieser kommunal geplanten Kreativquartier-Projekte vorgestellt:

Abb. 1: Schauspielhaus Bochum (Foto: F. Terbeck, 2011)

Viktoriaquartier, Bochum

Im Rahmen des Projektes "Viktoriaquartier" versucht die Stadt, verschiedene bereits vorhandene kulturelle Nutzungen im näheren Umfeld der Viktoriastraße zu verknüpfen und diese durch neu anzusiedelnde öffentliche Kultureinrichtungen zu ergänzen. So befinden sich bereits jetzt in diesem Areal die Bochumer Symphonie, das prinz regent theater sowie verschiedene weitere öffentliche Institutionen aus dem Theater- und Musikbereich. Ebenfalls werden der gastronomisch geprägte Bereich des "Bermuda3Ecks" (s. Beitrag Köwener) und das südlich gelegene "Viertel vor Ehrenfeld" mit dem Kulturhaus Oskar zu dem Viertel gehören. Der südliche Endpunkt des Viertels wird das Schauspielhaus sein (Abb. 1).

Allerdings verzögert die schlechte finanzielle Situation der Stadt den Bau eines neuen Konzerthauses auf unbestimmte Zeit (Laurin 2010a).

Abb. 2: Dortmunder U (Foto: F. Terbeck, 2011)

Dortmunder U, Dortmund

Kernelement des Projektes "Dortmunder U" ist der Umbau des ehemaligen Kellereihochhauses der Union-Brauerei (Abb. 2). Das denkmalgeschützte Gebäude, welches sich in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt und dem Hauptbahnhof befindet, wurde für die Kulturhauptstadt 2010 zu einem Zentrum für Kunst und Kreativwirtschaft ausgebaut und beheimatet nun das Museum Ostwall, den Hartware MedienKunstVerein, das Kulturbüro der Stadt Dortmund, die Fachhochschule und die Technische Hochschule Dortmund, das european centre for creative economy (ecce), ein Kino sowie gastronomische Nutzungen.

Ziel des Projektes ist, der Stadt Dortmund ein neues Wahrzeichen für einen erfolgreichen Strukturwandel – weg von Kohle und Stahl, hin zu kreativen und innovativen Zukunftsbranchen – zu geben. Darüber hinaus soll das Dortmunder U eine städtebauliche "westliche Säule der Dortmunder Kultur- und Museumsmeile" (Sierau 2010) bilden (s. Beitrag Schulte-Derne).

Rhein-Herne-Kanal, Herne

Das Projekt "KreativQuartier: Am Kanal" stellt den Versuch der kommunalen Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Herne dar, entlang eines 10 km langen Teilstücks des Rhein-Herne-Kanals Unternehmen der Kreativwirtschaft anzusiedeln. Herzstück des Projektes ist die seit den 1970er Jahren künstlerisch genutzte ehemalige Zeche "Unser Fritz", deren Erneuerung im Rahmen des Projektes gefördert wurde. Weitere Elemente des Projektes sind Aufwertungsmaßnahmen im angrenzenden Stadtteil "Unser Fritz" mit Hilfe des Förderprogramms "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf" sowie eine Stärkung der Erholungsfunktion der Emscherinsel zwischen Rhein-Herne-Kanal und der Emscher. Darüber hinaus soll auch die derzeit leerstehende und unter Denkmalschutz gestellte Dennekamp-Schule umgenutzt werden. Dies gestaltet sich auf Grund der Renovierungsbedürftigkeit des Gebäudes jedoch schwierig.

Einen ersten Erfolg konnte das Projekt im Jahr 2010 mit der Ansiedlung der Mode-Firma "B.M.-fashion-Vertrieb Bisping" vermelden (WFG Herne 2011).

Kulturwerk Lothringen, Bochum

Bei dem Kulturwerk handelt es sich um ein altes Zechengelände, etwas außerhalb der Stadt. Es wird seit 2006 durch Unternehmen aus der Film-, Event-, Musik-, Design- und Werbewirtschaft und der Webdesign-Branche genutzt. Das Projekt wurde durch die TGR GmbH, einem städtischen Eigenbetrieb verwirklicht. Das Kulturwerk Lothringen stellt einen Sonderfall in der Reihe der hier vorgestellten Projekte dar, weil es mehr einem klassischen Gründer- und Technologiezentrum als den typischen Kreativquartieren mit Galerien, Gastronomie und kreativwirtschaftlichen Unternehmen ähnelt. Stattdessen findet man hier junge, aber bereits etablierte Unternehmen der Kreativwirtschaft, jedoch keine kulturellen Institutionen im engeren Sinne (www.tgr-kwl.de).

Kreativkai, Münster

Der Münsteraner "Kreativkai" im Stadthafen I ist das älteste und am weitesten fortgeschrittene kommunale Projekt zur Förderung der Kreativwirtschaft in Westfalen. Bereits 1997 wurde mit dem Bau des Hafenplatzes und der Entwicklung von Plänen für den Kreativkai begonnen, nachdem die Münsteraner Hafenwirtschaft seit den 1970er Jahren einen steten Bedeutungsverlust erlitten hatte. Federführend war hier das Amt für Stadtentwicklung, Stadtplanung, Verkehrsplanung der Stadt Münster, welches das Areal zusammen mit den kommunalen Stadtwerken als größten Grundstückseigentümer und privaten Inves­toren entwickelte (BBSR/BBR 2011).

Bis zum Jahr 2007 wurde der erste Bauabschnitt fertig gestellt, der die Umnutzung der erhaltenswerten Bestandsbebauung sowie den Neubau attraktiver Immobilien vorsah. Ziel des Projektes war und ist es, eine kleinteilige Mischnutzung von hochwertigen Dienstleistungen wie Architektur oder Verlage sowie kulturelle Nutzungen und Gastronomie in diesem Gebiet anzusiedeln (ebd.; s. auch Beitrag Krajewski).

Die Umsetzung des zweiten Bauabschnitts des Kreativkais, wie auch die des restlichen Hafenareals, ist teilweise noch ungeklärt. Jedoch lässt sich bereits feststellen, dass das Projekt "Kreativkai" ein Erfolg für die Stadt ist, da der Hafen neben dem Prinzipalmarkt zu einem wichtigen Werbeträger für die Stadt geworden ist (Stadtmarketing Müns­ter o. J. u. Krajewski 2011).

Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Projekten

Schwierigkeiten bei der Verwirklichung von Projekten werden bei gescheiterten Projekten am deutlichsten. So lassen sich auch am Beispiel eines mittlerweile aufgegebenen Projektes in Unna einige Herausforderungen für Kommunen bei der Planung von Kreativquartieren erkennen. In der ehemaligen Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen in Unna-Massen sollten die aktuell mindergenutzten Gebäude für Künstler zugänglich gemacht werden. Auf dem Gelände sollte ein Campus für kreativwirtschaftliche Nutzungen entstehen (Der Westen 2008).

Aufgrund der finanziell angespannten Haushaltslage der Stadt Unna war von Anfang an die Umsetzung des Projektes fraglich (Der Westen 2009), jedoch scheiterte das Projekt letztlich vor allem an den hohen Mieterwartungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben als Eigentümerin des Geländes. Möglicherweise hätte sich das Projekt mit Hilfe weiterer öffentlicher Partner wie z. B. dem Land Nordrhein-Westfalen verwirklichen lassen, jedoch blieb diese Unterstützung aus – ebenso wie weitere private Investoren. Neuere Planungen sehen nun die Ansiedlung einer privaten Hochschule auf dem Gelände vor.

Neben finanziellen Unwägbarkeiten, wie es sie auch bei vielen anderen städtebaulichen Projekten gibt, besitzen kommunal geplante Kreativquartiere jedoch noch weitere, spezifischere Hürden: Sie müssen nämlich in erster Linie bei Existenzgründern, zu denen Kreative häufig zählen, Anklang finden. Insofern ist es problematisch, dass es bei Kreativen ein scheinbar nicht ganz konfliktfreies Verhältnis zu den jeweiligen Stadtverwaltungen gibt – was insbesondere im Ruhrgebiet auffällt. So wird teilweise kritisiert, dass sich die Ruhrgebiets-Stadtverwaltungen vor der Kulturhauptstadt 2010 kaum für die Kreativwirtschaft interessiert hätten und dass diese auch jetzt vor allem in der Kreativwirtschaft ein Instrument zur Aufwertung von Stadtteilen sähen – statt an der Kreativwirtschaft an sich oder gar an einer Förderung von Kunst und Kultur allgemein interessiert zu sein. Weiterhin wird moniert, die Kreativität werde von den Städten nur dann gefördert, wenn sie Bestandteil kommunaler Planungen sei, während die "Freie Szene", die in unbeplanten räumlichen Nischen eigene Projekte verwirklichen möchte, weiterhin keine Unterstützung erhalte (Laurin 2010b). "Tendenziell wird hier [im Ruhrgebiet, Anm. d. Verf.] das zerstört, was gerade erst entstanden ist, wie die Club-Landschaft auf dem Thier-Gelände in Dortmund, die einem Einkaufszentrum weichen musste. Im Nachtleben in Dortmund sind seitdem die Lichter weitgehend ausgegangen", so Laurin (2010b). Ein gespanntes Verhältnis zwischen Kreativen und den Stadtverwaltungen ist insofern problematisch, als dass Kreativquartiere von dem hohen Engagement der Kreativen leben. Hierfür ist es aber wichtig, dass diese sich ernst genommen fühlen und vom Sinn des Projektes überzeugt sind.

Fazit

In Westfalen sind in den letzten Jahren verschiedene Kreativquartiere geplant und umgesetzt worden. Insbesondere im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres wurden weitere Projekte im Ruhrgebiet initiiert, die sich jedoch noch im Umsetzungsprozess befinden, so dass es für eine abschließende Bewertung der Projekte zu früh ist. Das Beispiel der Stadt Unna zeigt jedoch, dass die Entwicklung von Kreativquartieren nur mit der Unterstützung verschiedener Partner gelingt und eine solide finanzielle Basis benötigt, die jedoch bei der angespannten Finanzlage der Kommunen nicht immer gegeben ist.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2012