Landtagswahl Nordrhein-Westfalen 2010
Abwahl von Schwarz-Gelb
Umfragen vor der Landtagswahl 2010 in NRW ließen eine Bestätigung der seit 2005 amtierenden Schwarz-Gelben Regierung von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und seines Vize Andreas Pinkwart (FDP) immer unwahrscheinlicher werden; es wurde auch ein "Kopf-an-Kopf-Rennen" zwischen Rüttgers und der Herausforderin Hannelore Kraft, Spitzenkandidatin der SPD, vorausgesagt. Dies bestätigte sich am Wahlabend des 09.05.2010, als bereits in der ersten Hochrechnung die CDU-FDP-Koalition als abgewählt galt und zudem zwischen den beiden großen Volksparteien eine Patt-Situation deutlich wurde. Mit einem Verlust von -10,3% der Zweitstimmen gegenüber 2005, d. h. mit 34,6% der Zweitstimmen (allerdings 38,5% der Erststimmen), erlebte die CDU ein Fiasko und damit – nur fünf Jahre nach dem "triumphalen schwarzgelben Machtwechsel" (N. Tiemann 10.05.2010) – das schlechteste Wahlergebnis bei Landtagswahlen in NRW seit 1950 (Abb. 1). Die SPD lag am ende mit nur 6.200 Stimmen weniger bzw. 34,5% der Zweitstimmen nahezu gleich auf mit der CDU (gleicher Erststimmenanteil von 38,5% und gleiche Anzahl von jeweils 67 Sitzen im Landtag, Abb. 6) und fühlte sich als "Wahlgewinner", wenngleich es auch für diese zweite große Volkspartei eines der schlechtesten Landtagswahl-ergebnisse in NRW war. Der Stimmenverlust der SPD gegenüber 2005 war jedoch mit -2,6% vergleichsweise gering (Abb. 1).
Deutlich zugelegt haben demgegenüber einige kleinere Parteien, allen voran Bündnis 90/Die Grünen, die mit 12,1% der Zweitstimmen (10,1% Erststimmen) ihr Wahlergebnis gegenüber 2005 nahezu verdoppeln konnten und damit drittstärkste politische Kraft in NRW wurden. Die FDP verfehlte ihr selbst gestecktes Wahlziel "10% + X" mit nur 6,7% der Zweitstimmen (+0,6%; Erststimmenanteil 4,7%) klar. "Die Linken" legten mit +4,7% gegenüber 2005 (noch unter der Kurzbezeichnung PDS) erheblich zu und konnten mit 5,6% der Zweitstimmen (5,4% Erststimmen) 2010 erstmals in den Landtag einziehen. Unter den zahlreichen sonstigen Parteien mit insgesamt 6,5% der Zweitstimmen erreichte keine die 5%-Marke.
''Kleine Bundestagswahl''
Wählerstimmenverteilungen in NRW
Ähnlich der Landtagswahl 2005 erzielte die CDU ihre höchsten Stimmenanteile v. a. in den eher ländlich und mittelständisch geprägten Landesteilen außerhalb des größten Verdichtungsraumes NRWs, des Ruhrgebietes, wo die SPD – zusammen mit den ebenfalls traditionell industriell ausgerichteten Nachbarkreisen im Südosten des Reviers (z. B. im Märkischen Kreis) – stärkste Kraft wurde (Abb. 5); allerdings konnte die SPD nur in einem Wahlkreis (Unna III-Hamm II) die absolute Mehrheit erringen. Weitere Schwerpunkte der Stimmenverteilung bestehen für die SPD im nordöstlichen Westfalen (Lippe) oder etwa in Wahlkreisen von Köln und Aachen.
Die räumliche Verteilung der Wählergunst für die Grünen (Abb. 2) war stark durch relativ hohe, großenteils gewachsene Stimmenanteile in Großstädten (insbes. in Universitätsstädten wie Münster, Bielefeld, Düsseldorf, Köln, Bonn oder Aachen) gekennzeichnet. Innerhalb des Ruhrgebietes kam die FDP auf sehr geringe Quoten (Abb. 3), ihre Schwerpunkte lagen meist in rheinischen Wahlkreisen. Deutlich konnten sich jedoch "Die Linken" im Ruhrgebiet profilieren (mit dem höchsten Wählerstimmenanteil im Wahlkreis Duisburg III von 10,1%), darüber hinaus vor allem auch in den Großstädten Bielefeld, Wuppertal und Köln (Abb. 4).
Neue Minderheitsregierung unter Rot-Grün
Aufgrund des Wählerentscheids und nach zweimonatigem Ringen um eine Regierungskoalition haben sich die Spitzenkandidatinnen der SPD, Hannelore Kraft, und der Grünen, Sylvia Löhrmann, sowie ihre Parteigremien zu einer neuen Minderheitsregierung in NRW entschieden. Am 14.07.2010 wurde Hannelore Kraft im zweiten Wahlgang mit einfacher Mehrheit und deutlicher Unterstützung der "Linken" (denn 11 Abgeordnete – vermutlich dieser Partei – enthielten sich der Stimme) zur ersten Ministerpräsidentin des Landes NRW gewählt. Die Zukunft der neuen Regierung erscheint ungewiss (vorgezogene Neuwahlen?), da ihr ein Landtagssitz zur absoluten Mehrheit fehlt und somit ihre zukünftige Abhängigkeit von Zustimmungen der "Linken" bei Parlamentsentscheidungen offensichtlich ist.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | Der Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2010): Landtag intern. Informationen aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen, Ausgabe 5 vom 12.05.2010. Düsseldorf | |
• | IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2010a): Landtagswahl 2010. Ergebnisse früherer Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Heft 1. Düsseldorf | |
• | IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2010b): Landtagswahl 2010. Vorläufige Ergebnisse in Nordrhein-Westfalen, Heft 2. Düsseldorf | |
• | Langrock, M. (2010): Machtfrage in NRW ungeklärt. Erosion der Volksparteien. In: Münstersche Zeitung vom 10.05.2010. Münster | |
• | Tiemann, N. (2010): Niederlage für Schwarz-Gelb. Schlicht vergeigt. In: Westfälische Nachrichten vom 10.05.2010. Münster | |
• | www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD14-3978.pdf | |
• | www.wahlergebnisse.nrw.de/landtagswahlen/2010 |
Erstveröffentlichung 2010