Landwehren im Schnittpunkt von Geschichte, Archäologie und Naturkunde
Landwehren wurden im späten Mittelalter errichtet, als die Landesherren der westfälischen Territorien die zuvor dem deutschen Königtum zustehende Aufgabe übernommen hatten, Land und Leute zu schützen und zu verteidigen. Seit etwa 1300 lassen sich Landwehren in Westfalen nachweisen, ältere Anlagen aus dem 13. Jh. finden sich dagegen weiter im Osten, so in Helmstedt, wo die Initiative zum Landwehrbau von dem dortigen Kloster ausging, um die klostereigenen Ländereien zu schützen.
Landwehren als Hilfmittel gegen die Auswirkungen von Fehden
Mit dem Bau von Landwehren, die unter Ausnutzung natürlicher Gegebenheiten wie Flüsse, Geländekanten und Moore die Kirchdörfer, Städte und später auch Länder umgaben, wurde der Versuch gemacht, den Verkehr über die Straßen zu leiten und dadurch kontrollierbarer zu machen. Denn die Straßendurchgänge waren nicht nur durch abschließbare Schlagbäume zu sperren, sie waren auch in vielen Fällen ständiger Aufenthaltsort eines Baumhüters, der dort wohnte und bisweilen die Aufsicht über einen steinernen Wachturm besaß. Ihm oblag es, in feindlicher Absicht heranreitende Reiter zu erspähen und mit Horn, Fahne oder Feuerkorb den Bauern im Dorf Warnzeichen zu geben. Eine wichtige Aufgabe kam in diesem Abwehrsystem den Pfarrkirchen zu, deren Glockenschlag bei Gefahr ertönte und die Bevölkerung zur Sammlung und Verfolgung verpflichtete. Warttürme finden sich im Bergland häufiger als im Flachland und ersetzten hier in vielen Fällen eine umlaufende Landwehr.
Dass Landwehren in den Fehden des 14. und 15. Jh.s mehr oder weniger wirksam zur Feindabwehr eingesetzt wurden, erschließt sich aus den Chroniken der Städte Dortmund und Soest, die besonders Landwehrschlagbäume und Türme als hart umkämpfte Stützpunkte vor Augen führen und Landwehren bei der Abwehr von räuberischen Überfällen eine wichtige Rolle einräumen.
Zum Landwehrbau im Oberstift Münster
Die Bedeutung von Landwehren als Holzreservoir in der Neuzeit
Zur Rekonstruktion von Landwehrsystemen
Die Rekonstruktion des westfälischen Landwehrsystems stützt sich auf die Urkatasteraufnahme, eine zu Steuerzwecken in den Jahren 1822 bis 1834 in Westfalen flächendeckend durchgeführte Kartierung des steuerpflichtigen Besitzes unter Berücksichtigung der reichen westfälischen Flurnamenüberlieferung. Mit "Landwehr", "Lanfer", "Schlag" oder "Baum", also für den Nachweis von Landwehren aussagekräftigen Bezeichnungen, kann der Verlauf auch damals nicht mehr erhaltener Landwehrzüge parzellenscharf erfasst werden.
Ein weiteres wertvolles Hilfsmittel stellen Luftbilder dar, auf denen Landwehrgräben als lineare Bodenspuren erkennbar werden und zusammen mit erhaltenen Resten das durch die Flurnamen rekonstruierte System belegen oder vervollständigen. Wohl kaum ein Bodendenkmal ist im Mittelalter ein so alltäglicher Gegenstand gewesen wie Landwehren, wie die große Zahl von Straßennamen und Zunamen in nahezu jeder Gemeinde Westfalens verdeutlicht.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | Kneppe, C. (1999): Das westfälische Landwehrsystem als Aufgabe der Bodendenkmalpflege. Erscheinungsbild und historische Bedeutung. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe, Teil C. Mainz, S. 139–166 | |
• | Kneppe, C. (2004): Die Stadtlandwehren des östlichen Münsterlandes. Münster (= Veröffentlichungen der Altertumskommission für Westfalen, Band XIV) | |
• | Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hg.) (2007): Landwehren – Von der mittelalterlichen Wehranlage zum Biotop. Münster | |
• | Weerth, K. (1938): Westfälische Landwehren. In: Westfälische Forschungen, Band 1. Münster, S. 158–198 |
Erstveröffentlichung 2008