Lebendgeborene und Teenager-Mütter in (Nordrhein-)Westfalen

03.06.2024 Meinolf Rohleder

Kategorie: Bevölkerung

Schlagworte: Westfalen · Bevölkerungsentwicklung

Inhalt

Lebendgeborene

Demographische Themen sind immer wieder Schwerpunkte bei gesellschaftlichen und politischen Debatten. Schlagwörter in diesem Zusammenhang sind z.B. "Überalterung" oder "Bevölkerungsverteilung". Überlagert werden diese Inhalte spätestens seit dem Jahr 2015 aufgrund der Flüchtlingskrise durch das Thema "Migration". Weiter verschärft wurden die Wanderungsbewegungen durch den Angriff Russlands auf die Ukraine Anfang 2022 (s. Beitrag Wittkampf).

Die Geburtenzahl ist ebenfalls eine wichtige Kennziffer bei demographischen Prozessen. Sie hat Auswirkungen z.B. auf die Gestaltung der Ausbildungslandschaft und den Arbeitsmarkt. Geburtenzahlen scheinen jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung eine eher nachrangige Rolle zu spielen. Entsprechend weniger Beachtung findet auch die Tatsache, dass erhebliche Unterschiede zwischen ländlichen und urbanen Regionen – sowohl in NRW als auch in Westfalen – feststellbar sind.

Abb. 1: Entwicklung der Gesamtzahl der Lebendgeborenen sowie der Zahl der von unter 18-jährigen Müttern Lebendgeborenen in NRW 2000–2022 (Quelle: IT.NRW 2023)

Entwicklung auf Landesebene
Abbildung 1 zeigt für Nordrhein-Westfalen u.a. die Entwicklung der Anzahl der Lebendgeburten ab der Jahrtausendwende bis zum Jahr 2022. Diese fällt in der ersten Dekade zunächst schrittweise ab und verzeichnet im Jahr 2011 mit 143.097 ihren niedrigsten Wert, um ab 2016 wieder die Marke von 170.000 zu übertreffen. Im Jahr 2021 erreicht die Zahl der Lebendgeborenen nach zwei Jahrzehnten den Höchststand mit 175.386. Gegenüber 2011 war dies ein Zuwachs von 22,6%.

Als Faktoren für die positive Entwicklung während der zweiten Hälfte des Untersuchungszeitraums sind einerseits eine positive wirtschaftliche Entwicklung und andererseits die Auswirkungen des Flüchtlingsstroms vor allem seit 2015 zu nennen.

Von 2021 bis 2023 sind – als Folgen der Corona-Pandemie – die Lebendgeburten in Nordrhein-Westfalen nach derzeitigen Schätzungen um über 10% zurückgegangen. Der Landesteil Westfalen ist allerdings mit -7,2% von diesem negativen Trend weniger stark betroffen (IT.NRW, Stand 02.01.2024).

Abb. 2: Lebendgeborene: Veränderungen 2014–2022 auf Ebene der Kreise / kreisfreien Städte Westfalens (in %) (Quelle: IT.NRW 2024)

Regionale Differenzierungen in Westfalen
Zwischen 2014 und 2022 stieg die Zahl der Lebendgeburten westfalenweit um rd. 8,7% (NRW: 6,1%). Beim Vergleich der Kreise mit den kreisfreien Städten fallen jedoch Unterschiede auf: Bei der Gruppe der Kreise ist die Varianz hinsichtlich der Entwicklung der Lebendgeborenen-Zahlen zwischen 2014 und 2022 als eher moderat einzustufen. 14 der insgesamt 18 Kreise Westfalens verzeichnen Zuwächse zwischen 5,9% und 12,2%. Dagegen sind die Unterschiede bei den neun kreisfreien Städten wesentlich größer: Die Werte reichen hier von einem immensen Zuwachs von 27,8% in Herne bis hin zu einer negativen Entwicklung in Müns­ter (-2,9%) (Abb. 2).

Herne, Gelsenkirchen, Bottrop und der Kreis Recklinghausen bilden eine "homogene" Region, abgesetzt von den weiter (süd-)östlich gelegenen Teilräumen des Ruhrgebiets sowie den angrenzenden Münsterlandkreisen.

In Südwestfalen sticht der Hochsauerlandkreis mit einer hier relativ hohen Zuwachsrate von 11% deutlich hervor. In Ostwestfalen-Lippe haben dagegen die Stadt Bielefeld (2,4%) sowie die Kreise Herford (3,8%) und Paderborn (4,1%) die geringsten Zuwächse.

Abb. 3: Anteil (in %) der im Jahr 2022 von unter 20-jährigen Müttern Geborenen an den Lebendgeborenen insgesamt (Quelle: IT.NRW 2023)

Teenager-Mütter

Ein besonderes Problem stellt das oftmals medial aufgeladene Thema sog. Teenager-Mütter dar. Darunter versteht man minderjährige Mädchen und junge Frauen im Alter von unter 18 Jahren, je nach statistischer Grundlage auch unter 20 Jahren. Auf NRW-Ebene lag der Anteil der Mütter unter 18 Jahren in den Jahren 2000 bis 2010 jeweils zwischen 0,8% und 1,0%. Danach sank ihr Anteil bis auf 0,4% bzw. 0,5% in den Jahren 2018 bis 2022. In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet das beispielsweise für das Jahr 2000, dass in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen rd. 1.600 Babys von minderjährigen Müttern lebend zur Welt gebracht wurden (Abb. 1). Im Jahr 2010 waren es 1.110 Lebendgeborene, was im Vergleich zum Jahr 2000 einer Verringerung um mehr als 30% entspricht. Im Jahr 2022 wurden lediglich 767 Babys von minderjährigen Müttern geborenen – noch einmal 30% weniger als 2010. Auch die Anzahl der Mütter im Teenageralter ging laut IT.NRW seit der Jahrtausendwende in Nordrhein-Westfalen überproportional zurück. Von 2000 bis 2022 waren es -47% bei der Altersgruppe 16–17 Jahre sowie -44% bei den 17- bis 18-Jährigen. Die Gründe dafür dürften auch in den verstärkten Bemühungen um Sexualerziehung in den Schulen und Jugendorganisationen liegen.

Stellt man in Westfalen Kreise und kreisfreie Städte gegenüber, so fällt auf, dass bei Letzteren die Anteile der von Teenager-Müttern (< 20 J.) zur Welt gebrachten Babys in Relation zu allen Lebendgeborenen i.d.R. höher sind. Abbildung 3 stellt die Situation für das Jahr 2022 dar. In Summe war dieser Anteil mit 2,7% bei den kreisfreien Städten fast doppelt so groß wie bei den Kreisen (1,5%).

Unterhalb der Kreisebene lässt sich das Thema "Teenager-Mütter" leider nicht weiter verfolgen. Für eine räumlich differenziertere Analyse, die z.B. einen Blick auf die einzelnen Stadtteile richtet oder Merkmale wie Bildungsstand, Wohn- und Arbeitsverhältnisse der Mütter bzw. deren Familien einbezieht, liegen entsprechende Daten nicht vor.

Besondere Hilfeleistungen notwendig
Der Anteil von Alleinerziehenden Müttern ist in dieser Altersgruppe besonders hoch, da die Partnerschaften in jungen Jahren oft instabil sind und die Verantwortung – nicht selten schon während der Schwangerschaft – den werdenden Müttern zugeschoben wird. Diejenigen, die sich nach entsprechender Beratung gegen einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, bedürfen besonderer Maßnahmen der Fürsorge und Hilfe. Hierzu zählen auch die evtl. Unterbringung in Wohnheimen für minderjährige Mütter sowie sog. Amtsvormundschaften.

Gerade in den Räumen mit einem weit überdurchschnittlichen Anteil an Teenager-Müttern (z.B. Hagen: 5,3%, Gelsenkirchen: 5,2%), bzw. in sog. prekären Stadtvierteln müssen entsprechende Aufklärungsprogramme noch intensiver und gezielter angeboten werden, um insbesondere Mädchen zu schützen. Das mag bei einem häufig eher religiös-konservativen sozialen Umfeld eine langfristig zu entfaltende gesellschaftliche Aufgabe sein. Daher sollten zudem die Mütter der Mädchen einbezogen werden. Zu wünschen wäre in diesem Zusammenhang auch, dass sich muslimische Gemeinden noch stärker als bisher dem Problem der minderjährigen Mütter und ihrer Kinder stellen.

Gerade für die schulpflichtigen Teenager-Mütter ist natürlich die Fortsetzung ihrer Schullaufbahn eine wesentliche Grundlage für die weitere Lebensplanung. Dies kann nur gelingen, wenn alle Beteiligten kooperieren – ggf. auch unter Einbeziehung weiterer Partner aus der Zivilgesellschaft, z.B. Mutter-Kind-Einrichtungen. Notwendig erscheint in jedem Fall eine umfassende Sexualaufklärung der Mädchen, Jungen und ihrer Familien – nicht nur in den Schulen, sondern auch im unmittelbaren Wohnumfeld.

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Weiterführende Literatur/Quellen

  • DESTATIS Statistisches Bundesamt (Hg.) (2023): Weniger Teenagermütter in Deutschland: 2022 wurden 6 Kinder je 1000 Frauen zwischen 15 und 19 Jahren geboren. (Pressemitteilung vom 10.10.2023)
    (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Zahl-der-Woche/2023/PD23_41_p002.html)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023): NRW: 2022 brachten Teenager-Mütter 2823 Lebendgeborene zur Welt. (Pressemitteilung vom 24.11.2023)
    (https://www.it.nrw/nrw-2022-brachten-teenager-muetter-2-823-lebendgeborene-zur-welt-125786)
    (https://www.it.nrw/system/files/media/document/file/367_23.pdf)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2024): NRW: Auch 2023 wurden weniger Kinder geboren als im Vorjahr. (Pressemitteilung vom 02.01.2024)
    (https://www.it.nrw/nrw-auch-2023-wurden-weniger-kinder-geboren-als-im-vorjahr-125906)
    (https://www.it.nrw/system/files/media/document/file/1_24.pdf)

  • https://www.westfalen-regional.de/de/ukraine_gefluechtete

Erstveröffentlichung 2024

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