Medizingeographische Kennziffern für Westfalen

01.01.2009 Manon Abs

Inhalt

Die Medizingeographie beschäftigt sich mit der regionalen Verteilung von Krankheiten sowie der regionalen Organisation des Gesundheitswesens. Letzteres steht im Zuge des Erhalts von Gesundheit und Lebensqualität auch in Westfalen vor neuen Herausforderungen. Innerhalb einer stetig alternden Gesellschaft (s. Beitrag Reiche) verschieben sich die Ansprüche an die Funktionsweisen und Strukturen des Gesundheitswesens.

Um einen Vergleich zu ermöglichen, werden unterschiedliche Gesundheitsindikatoren erhoben, zu denen auch die Über- oder Unterversorgung mit Vertragsärzten zählt, die anhand der Verhältniszahlen der Bedarfsplanung der Kassenärztlichen Vereinigung ermittelt werden kann (Abb. 1). Eine Unterversorgung liegt vor, wenn der ermittelte Bedarf um mehr als 25% unterschritten wird. Von einer Überversorgung spricht man bei einer Überschreitung von 10% bezogen auf das örtliche Verhältnis von Einwohnern und Ärzten. Demnach liegt für keinen Kreis in Westfalen eine unzureichende Versorgung mit Hausärzten vor. Tendenziell ist der Versorgungsgrad in den dichtbesiedelten Kreisen im Übergang zum Ruhrgebiet und in der Hellwegzone höher. In Gelsenkirchen liegt mit 121,8% eine deutliche Überversorgung vor, die sich durch den steten, v. a. wanderungsbedingten Bevölkerungsrückgang erklären lässt.

Abb. 1: Versorgungsgrad mit Vertragsärzten und Lebenserwartung in Westfalen (Quelle: Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW 2008)

Lebens- und Sterbeerwartung

Die durchschnittliche Lebenserwartung in Nordrhein-Westfalen (NRW) betrug im Jahr 2006 bei der Geburt 78,5 Jahre. Dabei lassen sich für Westfalen regionale Abweichungen feststellen (Abb. 1). Die höchste Le­benserwartung im Müns­terland und im Raum Paderborn sowie in den prosperierenden Kreisen Siegen, Olpe und Gütersloh weicht um bis zu 1,5 Jahre positiv vom Landesdurchschnitt NRW ab. Im Gegensatz hierzu liegt die Lebenserwartung bei der Geburt in den Kreisen/kreisfreien Städten Dortmund, Bo­chum, Gelsenkirchen, Herne und Recklinghausen im Übergang zum Ruhrgebiet sowie in der Hellwegzone besonders bei Männern bis zu 2,6 Jahre unter der Lebenserwartung für NRW (s. Beitrag Wittkampf).

Eine ähnliche räumliche Ausprägung lässt sich auch für die Mortalitätsrate in Westfalen festhalten. Erklärungen für diese regionalen Mortalitätsunterschiede bleiben eher diffus und lassen sich nur schwer in einen kausalen Zusammenhang bringen: Einen untergeordneten Einfluss haben hierbei die Verfügbarkeit und Inanspruchnahme sowie die Qualität medizinischer Leistungen, welche sich in Gesamtwestfalen auf einem hohen Niveau befinden. Vielmehr nimmt der persönliche Lebensstil in den Bereichen Ernährung, körperliche Be­wegung, Nikotin- und Alkoholkonsum sowie Gewichtskontrolle einen erheblichen Einfluss auf die Lebensdauer. Hinzu kommen Faktoren der äußeren Lebensumgebung, wie z. B. anthropogene, zivilisations- und technikbedingte Umweltbelastungen. Letztere könnten einen Erklärungsansatz für die regionalen Unterschiede der Lebenserwartung zwischen ländlichen und verstädterten Teilen Westfalens bieten. Insgesamt liegt die Lebenserwartung in Westfalen im Landesvergleich jedoch in allen Teilen über der Lebenserwartung von z. B. Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt.

Abb. 2: Krankenhauseinweisungen und Pflegebedürftige in Westfalen (Quelle: Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW 2008)

Krankheitserwartung

Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit von körperlicher Belas­tung und Einschränkung durch Krankheiten. Somit erhöht sich auch die bevölkerungsbezogene Krankheitslast einer Gesellschaft, basierend auf der Zahl der Krankenhauseinweisungen sowie durch eine Erhebung der Pflegebedürftigkeit (Abb. 2). Die Krankenhauseinweisungen erfassen die Patientenzahl nach deren Wohnort.

Westfalen war im Jahr 2005 durch ein Nord-Süd-Gefälle bezüglich der Zahl der Krankenhauseinweisungen gekennzeichnet. Im Regierungsbezirk Arnsberg weisen alle Kreise, ausgenommen Siegen-Wittgenstein, eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Krankenhauseinweisungen auf. In Hamm liegt der Anteil rund 12% über dem Landesdurchschnitt. Dagegen lässt sich im Regierungsbezirk Detmold ein unterdurchschnittlicher Anteil feststellen. Im Kreis Lippe liegt die Zahl der Krankenhausfälle sogar 11% unterhalb des Durchschnittswertes für NRW. Im Übergang zum Ruhrgebiet und zur Hellwegzone lassen sich deutlich mehr Einweisungen in Krankenhäuser ermitteln. Hervorzuheben ist hier besonders Gelsenkirchen mit einer negativen Abweichung von 21%. Einen Erklärungsansatz für diese regionale Ausdifferenzierung von Krankenhausfällen in Westfalen könnten die höhere Bevölkerungsdichte sowie ein vergleichbar hoher Anteil an über 65-Jährigen in Kreisen mit negativer Abweichung darstellen. Dies gilt nicht für den nördlichen Teil des Regierungsbezirks Detmold. Hier liegt der Anteil der Senioren bei über 35% an der Gesamtbevölkerung.

Pflegebedürftigkeit

Als pflegebedürftig gelten Personen, welche durch die Pflegekasse oder private Versicherungsunternehmen in eine Pflegestufe eingestuft werden. In Westfalen wird hier eine räumliche Ausdifferenzierung bezüglich der Anzahl der Pflegebedürftigen auf Kreisebene deutlich. So lassen sich in den Kreisen/kreisfreien Städten Recklinghausen, Bottrop, Gelsenkirchen, Herne, Bo­chum, Unna und Olpe die meisten Pflegebedürftigen ermitteln. Sie liegen somit um bis zu 33% über dem Durchschnitt Westfalens. Wesentlich geringer fallen die Werte für weite Teile des Regierungsbezirks Detmold sowie der Kreise/kreisfreien Städte Müns­ter, Wa­rendorf und Siegen-Wittgenstein sowie den Märkischen Kreis und den Hochsauerlandkreis aus. Diese Verteilung lässt sich aber nur bedingt durch die Bevölkerungsdichte und Altersstruktur erklären.

Abb. 3: An Krebserkrankungen Gestorbene über 65-Jährige 1998 bis 2006 (Quelle: Statistische Ämter des Bundes u. d. Länder)

Krankheitslast durch Krebserkrankungen

Krebserkrankungen werden in NRW, wie seit 2005 gesetzlich festgeschrieben, im Epidemiologischen Krebsregis­ter erfasst. Das mittlere Erkrankungsalter in NRW liegt für Männer bei 68, für Frauen bei 69 Jahren. Im Folgenden werden Krebserkrankungen von Menschen über 65 Jahren betrachtet (Abb.3). Dabei nahmen die Sterbefälle aufgrund einer Krebserkrankung in den vergangenen Jahren in den Regierungsbezirken Westfalens im Verhältnis zur Bevölkerungszahl leicht ab: So sank beispielsweise der Anteil der aufgrund von Krebs verstorbenen Frauen im Regierungsbezirk Arnsberg von 1,13% (1998) auf 0,82% (2006) und stellt die niedrigste Krebsrate in den Regierungsbezirken Westfalens dar; im Regierungsbezirk Münster liegt er mit 0,90% am höchsten.

Der Anteil der an Krebs verstorbenen Männer liegt insgesamt über dem der Frauen (s. Beitrag Wittkampf). Im Regierungsbezirk Detmold ist im Verhältnis zur Einwohnerzahl mit 1,25% (2006) für Männer über 65 Jahren der geringste Anteil festzustellen, im Regierungsbezirk Münster mit 1,35% (2006) der höchste. Noch im Jahr 1998 wies der Regierungsbezirk Arnsberg einen Anteil von 1,67% auf. Im Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt fällt auf, dass in allen drei Regierungsbezirken Westfalens der Anteil von Krebstoten an der Gesamtbevölkerung über 65 Jahren in den vergangenen Jahren höher gelegen hat und auch im Jahr 2006 über einem bundesweiten Anteil von 0,80% der Frauen und 1,21% der Männer liegt. Seit 2004 flacht der Rückgang des Anteils der Krebstoten jedoch kontinuierlich ab, in einigen Teilen gibt es sogar wieder einen leichten Anstieg. So lag beispielsweise der Anteil der an einer Krebserkrankung gestorbenen Frauen im Regierungsbezirk Detmold mit 0,86% im Jahr 2006 über dem Anteil von 2003 (0,79 %). Es muss aber betont werden, dass die absoluten Zahlen der Krebstoten ein differenzierteres Bild ausweisen: Demnach starben im Regierungsbezirk Arnsberg im Jahr 1998 4.512 Frauen an Krebs; 2006 waren es nur noch 3.644. Im Regierungsbezirk Münster lag die Zahl 1998 dagegen bei 2.475 und hatte sich 2006 auf 2.590 erhöht. Eine ähnliche Tendenz lässt sich auch für die Zahl männlicher Krebstoter anführen. Allerdings erhöhte sich in Münster die Zahl der Krebstoten über 65 Jahre von 4.860 (1998) auf 5.336 (2006).

Bei Männern ist die häufigste bösartige Neuerkrankung der Prostatakrebs. In NRW macht diese Krebsart 22,5% der Neuerkrankungen aus. In Westfalen wurden im Jahr 2006 12,6% aller Todesfälle durch Krebs bei Männern über 65 Jahren durch Prostatakrebs verursacht. Bei Frauen liegt der Anteil der Neuerkrankungen an Brustkrebs in NRW sogar bei 29,0%. Für Westfalen lässt sich für 2006 ein Anteil von 15,39% aller Todesfälle von Frauen über 65 Jahre mit einer Brustkrebserkrankung an der Summe aller weiblichen Gestorbenen dieser Altersklasse ermitteln.

Laut einer Prognose des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW wird sich in Westfalen die Zahl der Krebsneuerkrankungen wie folgt entwickeln: Für Männer geht man von einem Anstieg der neuerkrankten Patienten von 20 - 45% bei den verschiedenen Krebslokalisationen aus. Dabei wird sich der prozentuale Anteil der an Prostatakrebs Erkrankten um 35% erhöhen. Geringer wird die Zunahme der Neuerkrankungen bei Frauen eingeschätzt; hier prognostiziert man einen Anstieg um 10 - 30% je nach Krebslokalisation, wobei Brustkrebs die häufigste Diagnose bleiben wird.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2009