Pflegebedürftige und Pflegeheime in Westfalen

10.05.2023 Peter Wittkampf

Inhalt

Am Ende des Jahres 2021 galten in Westfalen 525.618 Personen offiziell als pflegebedürftig, das waren 6,37% der Bevölkerung (IT.NRW 2022a, 2023a). Die Zahl der Pflegebedürftigen erhöhte sich in den letzten Jahren ständig. In Westfalen stieg sie seit 2015 um knapp 83% an (Tab. 1). Dieser Anstieg ist einerseits auf den Alterungsprozess der Gesellschaft zurückzuführen (s. Beitrag Wittkampf), andererseits auch durch eine 2017 erfolgte Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs bedingt. Die zuvor geltenden drei Pflegestufen wurden abgelöst durch fünf Pflegegrade, wobei nun auch Menschen als pflegebedürftig eingestuft werden konnten, die bislang offiziell nicht als solche galten, aber in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt waren, z.B. durch psychische bzw. kognitive oder geistige Erkrankungen.

Tab. 1: Pflegebedürftige in Westfalen 2015–2021 (Quelle: eigene Berechnungen nach IT.NRW)

Der Pflegegrad muss durch eine pflegefachliche Begutachtung festgestellt werden. Ab Pflegegrad 2 werden Leistungen aus der Pflegeversicherung gewährt. In Nordrhein-Westfalen können aber auch Personen mit Pflegegrad 1 eine Unterstützung erhalten. Nach IT.NRW (2023a) sind in Westfalen rund 15% der Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 1 eingestuft, 44% mit „2“, 26% mit „3“, 11% mit „4“ und 4% mit Pflegegrad 5.

Ende 2021 waren in Westfalen etwa 15% der Pflegebedürftigen vollstationär in Pflegeheimen untergebracht. Die übrigen wurden – oftmals durch Familienangehörige – zu Hause versorgt, gut ein Viertel von ihnen auch durch einen ambulanten Pflegedienst (IT.NRW 2023b).

Abb. 1: Pflegebedürftige pro 100.000 Einwohner im Dezember 2021 sowie Veränderungen der Zahlen im Vergleich zum Dezember 2019 in % (Quelle: eigene Berechnungen nach IT.NRW)

Pflegebedürftige – Anteile an der Bevölkerung

Die Anteile der Pflegebedürftigen bzw. Leistungsempfänger/-innen der Pflegeversicherung an der Gesamtbevölkerung sind, je nach Kreis bzw. kreisfreier Stadt, sehr unterschiedlich (Abb. 1). Umgerechnet auf 100.000 Einwohner waren es z.B. in Münster 3.883 Personen, im Kreis Höxter dagegen 7.861. In der Universitätsstadt Münster ist dies hauptsächlich dadurch begründet, dass hier sehr viele junge Menschen leben. Im Kreis Höxter, der wirtschaftlich nicht sehr stark ist und wo die Abwanderung gerade auch junger Menschen eine größere Rolle spielt, macht sich der höhere Anteil alter Menschen deutlich bemerkbar. Während Ende 2021 in Münster der Anteil der Altersgruppe von 65 und mehr Jahren bei 17,7% lag, betrug er im Kreis Höxter 23,7% (IT.NRW 2023c, S. 6; 2023d, S. 6).

Aufschlussreich ist auch die Entwicklung der – in den Statistiken des Landes aktuell als letzte dokumentierten – Jahre 2019 bis 2021. In diesem Zeitraum erhöhten sich in allen Kreisen und kreisfreien Städten die Anteile der Pflegebedürftigen an der jeweiligen Gesamtbevölkerung. Allerdings gab es auch hierbei graduelle Unterschiede (Abb. 1): Ganz besonders stark war die Zunahme im Kreis Höxter sowie in Hamm, Bottrop, Herne und im Kreis Olpe. Auch hierbei spielt der Alterungsprozess der jeweiligen Bevölkerung eine wichtige Rolle.

Abb. 2: Anteil der Pflegebedürftigen in vollstationärer Pflege an allen Pflegebedürftigen im Dezember 2021 sowie Veränderungen der Beschäftigtenzahlen in stationären Pflegeeinrichtungen von 12/2017 bis 12/2021 in % (Quellen: eigene Berechnungen nach IT.NRW 2023a, 2022b)

Vollstationäre Pflege

Wenn Menschen nicht mehr in der Lage sind, sich selbst zu versorgen, den Alltag eigenständig zu bewältigen und auf fremde Hilfe oder Pflege angewiesen sind, ergibt sich häufig die Frage, ob eine stationäre Unterbringung in einem Alten- bzw. Pflegeheim realisiert werden kann und soll. Die Leistungen aus der Pflegeversicherung decken aber i.d.R. nur einen Teil der Kosten. Vor allem in Pflegeheimen oder gar "Seniorenresidenzen" ist trotz der Zahlungen der Pflegeversicherung ein erheblicher Eigenanteil zu leisten. Und Plätze in einem gut erreichbaren Pflegeheim sind oft knapp, die Wartelisten der Einrichtungen lang. Außerdem stellen sich heute die familiären Strukturen, die ja für eine häusliche Pflege eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen, im Vergleich zu früheren Zeiten häufig anders dar und sind nicht überall gleich. Aus all diesen Gründen ist auch innerhalb Westfalens der Prozentsatz derjenigen Pflegebedürftigen, die vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht sind, unterschiedlich. Im Dezember 2021 waren es beispielsweise in Müns­ter 21,5% der Pflegebedürftigen, im Kreis Siegen-Wittgenstein dagegen nur 11,2% (Abb. 2).

In den letzten Jahren wurden in vielen Kreisen bzw. kreisfreien Städten weitere stationäre Pflegeeinrichtungen eröffnet. Ihre Gesamtzahl erhöhte sich laut IT.NRW (2022b) von Dezember 2017 bis Dezember 2021 in Westfalen von 1.386 auf 1.574, also um 13,6%. 

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die bloße Anzahl der Pflegeeinrichtungen nur bedingt aussagekräftig ist, da die jeweiligen Unterbringungskapazitäten sehr unterschiedlich sein können.

Die Anzahl der Beschäftigten in stationären Pflegeeinrichtungen erhöhte sich in Westfalen von 2017 bis 2021 insgesamt nur um 5,4%, wobei auch hier erhebliche teilräumliche Unterschiede bestehen (Abb. 2). Es gab einerseits Steigerungen von mehr als 15% (in den Kreisen Warendorf und Olpe), andererseits aber auch Rückgänge (in den Kreisen Coesfeld und Paderborn sowie in Hamm und Bochum). Z.T. haben Pflegekräfte gekündigt, etwa wenn die Arbeitsbelastungen, vor allem während der Corona-Pandemie, in den Heimen besonders hoch waren. Teilweise waren aber auch andere Gründe entscheidend, wenn etwa der jeweilige Anteil der Vollzeitbeschäftigten oder der Teilzeitbeschäftigten sich änderte.

Besondere Herausforderungen

Zu den Herausforderungen der Pflegeheime gehört einerseits das Problem, genügend geeignetes Pflegepersonal zu bekommen, andererseits die demographische Entwicklung, speziell die weitere Alterung der Gesellschaft. Im April 2023 veröffentlichte IT.NRW (2023e) eine neue Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung unter dem Titel "NRW: Zahl der Menschen im Rentenalter steigt bis zum Jahr 2030 um rund zehn Prozent". In Westfalen werden nach dieser Be­rechnung die Kreise Coesfeld (+18,5%), Paderborn (+17,6%), Borken (+17,4%) und Steinfurt (+16,2%) die größten Zuwächse der Menschen im Alter von 67 und mehr Jahren aufweisen. Hierfür genügend geeignete Pflegemöglichkeiten und stationäre Pflegeplätze vorzuhalten, jeweils mit entsprechendem Personal, dürfte sehr schwierig werden. Im Kreis Coesfeld beispielsweise war ja, wie erwähnt, die Zahl der Beschäftigten in stationären Einrichtungen zuletzt sogar rückläufig (Abb. 2).

Dass gerade die Münsterlandkreise so erhebliche Zuwächse in der Altersgruppe "67 plus" haben werden, liegt wesentlich an den "Boom-Jahren" im letzten Viertel des 20. Jh.s. Viele junge Menschen zogen damals ins Müns­terland wegen der besonders guten Wirtschaftsentwicklung dort. Von 1975 bis 2000 wuchs z.B. im Kreis Coesfeld die Bevölkerung um knapp 32%, während für NRW im gleichen Zeitraum nur ein Plus von gut 5% verzeichnet wurde (de.wikipedia.org/.../Kreis_Coesfeld u. /.../Nordrhein-Westfalen). Diese Altersgruppe kommt jetzt zunehmend ins Rentenalter.

In Bezug auf den Mangel an Pflegepersonal häufen sich Meldungen wie z.B. "Altenpflege: Sieben von zehn Stellen können in NRW nicht besetzt werden" (iwkoeln.de/.../), "Großer Fachkräftemangel in den Altenpflegeberufen in Nordrhein-Westfalen" (Seyda et al. 2022), "Pflegenotstand in Altenheimen empört betroffene Familien" (WAZ, 12.04.2022), "Werden die Kosten für Pflegeheime bald unbezahlbar?" (Westfalenpost, 26.08.2022) oder "Pflege in Not" (WDR, 06.12.2022).

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Weiterführende Literatur/Quellen

  • Beivers, A. und I. Kolodziej (2022): Entwicklung des Pflegebedarfs in Deutschland.
    In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 3/2022, S. 108-117

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2021): Mehr als die Hälfte der Pflegebedürftigen in NRW ist 80 Jahre oder älter. (Pressemitteilung vom 27.01.2021)
    (https://www.it.nrw/mehr-als-die-haelfte-der-pflegebeduerftigen-nrw-ist-80-jahre-oder-aelter-17213)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2022a): Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen. (Stand: 26.09.2022) (https://www.it.nrw/statistik/eckdaten/bevoelkerung-nach-gemeinden-315)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2022b): Pflegeeinrichtungen und Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen 2017, 2019, 2021.(https://www.it.nrw/sites/default/files/itnrw_presse/470_22.pdf)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2023a): Pflegebedürftige und Leistungsempfänger/-innen nach dem Pflegegrad und nach den Leistungsarten – kreisfreie Städte und Kreise – Stichtag: 15.12.2021.(https://www.landesdatenbank.nrw.de/ldbnrw//online?operation=table&code=22421-02i&bypass=true&levelindex=0&levelid=1682517748302#abreadcrumb)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2023b): Leistungsempfänger/-innen der Pflegeversicherung in NRW im Dezember 2021. (https://www.it.nrw/sites/default/files/itnrw_presse/454_22.pdf)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2023c): Kommunalprofil Kreis Höxter. (Stand: 29.03.2023) (https://www.it.nrw/sites/default/files/kommunalprofile/l05762.pdf)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2023d): Kommunalprofil Münster, krfr. Stadt.
    (Stand: 29.03.2023) (https://www.it.nrw/sites/default/files/kommunalprofile/l05515.pdf)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (2023e): NRW: Zahl der Menschen im Rentenalter steigt bis zum Jahr 2030 um rund zehn Prozent. (Pressemitteilung vom 17.04.2023)
    (https://www.it.nrw/nrw-zahl-der-menschen-im-rentenalter-steigt-bis-zum-jahr-2030-um-rund-zehn-prozent-120666)

  • MAGS NRW Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2020): Alt werden in Nordrhein-Westfalen. Bericht zur Lage der Älteren. Altenbericht 2020. Düsseldorf (https://www.mags.nrw/sites/default/files/asset/document/altenbericht_langfassung_bf-2.pdf)

  • pflegemarkt.com GmbH (2021): Bis 2040 fehlen 117.000 Pflegeheimplätze in Nordrhein-Westfalen. (https://www.pflegemarkt.com/2021/06/25/zia-studie-nordrhein-westfalen-pflegeheime-2040/)

  • Seyda, S., R. Köppen und H. Hickmann (2022): Großer Fachkräftemangel in den Altenpflegeberufen in Nordrhein-Westfalen. (https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Gutachten/PDF/2022/Fachkraeftesituation_Altenpflege-NRW.pdf)

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Kreis_Coesfeld

  • https://de.wikipedia.org/wiki/Nordrhein-Westfalen

  • https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/susanne-seyda-sieben-von-zehn-stellen-koennen-in-nrw-nicht-besetzt-werden.html

  • https://www.waz.de/staedte/oberhausen/pflegenotstand-in-altenheimen-empoert-betroffene-familien-id235058645.html

  • https://www.westfalen-regional.de/aeltere_menschen

  • https://www.wp.de/staedte/siegerland/werden-die-kosten-fuer-pflegeheime-bald-unbezahlbar-id236257875.html

  • https://www1.wdr.de/nachrichten/pflege-notstand-krankenhaus-fachkraefte-mangel-102.html

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Erstveröffentlichung 2023

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