PHOENIX See in Hörde – die Binnenalster Dortmunds

01.01.2010 Friedrich Schulte-Derne

Der Dortmunder Stadtteil Hörde erlebt derzeit im wahrsten Sinne des Wortes tiefgreifende landschaftliche Veränderungen, wie sie, allein schon wegen ihrer räumlichen Dimension, im Ruhrgebiet und in anderen Industrieregionen Deutschlands ihresgleichen suchen. Wo auf der ehemaligen Hermannshütte, dem heutigen PHOENIX Ost, über 150 Jahre Schlote qualmten, Stahl gekocht und Eisen gegossen und gewalzt wurde, erstreckt sich bald ein See. Dieser für Freizeit- und Erholungsaktivitäten geplante PHOENIX See (Abb. 1), wird bei Fertigstellung größer sein als die Binnenalster Hamburgs.
Abb. 1: Lageplan PHOENIX See (Quelle: Stadt Dortmund/stegepartner 2006)

Das verbreitete Nagelschmiedehandwerk begründete die vorindustrielle wirtschaftliche Basis Hördes. Angezogen durch den Bergbau, ließ sich 1841 ein Fabrikant, Hermann Diedrich Piepenstock, aus dem nahen sauerländischen Iserlohn hier nieder. Er erwarb die Hörder Burg und umliegendes Gelände und gründete, ausgerüstet mit umfangreichen technischen Erfahrungen aus seinen diversen Unternehmungen der Eisenverarbeitung im Sauerland, ein Puddel- und Walzwerk für Eisen und Stahl, die Hermannshütte. Die Eisen- und Stahlproduktion und deren Weiterverarbeitung wanderte damit, den Gesetzmäßigkeiten der traditionellen Standortlehre folgend, zur Kohle, zumal man noch mit "englischen Verhältnissen", der Förderung von Kohle und Erz an einem Standort, rechnete. Die Gründung der Hermannshütte in Hörde markiert den Anfang der montanindustriellen Schwerindustrie im Dortmunder Raum. Schnell dehnten sich die Werksanlagen des prosperierenden Hüttenwerks aus, und die Hörder Burg (Abb. 2) diente als Verwaltungssitz des Unternehmens. 1871 verfügte das Unternehmen bereits über 4.700 Werksangehörige, und die Stahlproduktion erreichte 53.000 t/Jahr. Intensiver Werkswohnungsbau in Form von Kolonien (Clarenberg, Felicitas u. a. m., s. Beiträge Wehling und Bronny) ließ die Einwohnerzahl Hördes sprunghaft ansteigen. Hatte Hörde um 1800 noch 900 Einwohner, waren es 1885 bereits ca. 15.000 und 1917 gar 32.000 Einwohner.

Abb. 2: PHOENIX See und Hörde, im mittleren Bildhintergrund die renovierte Hörder Burg (Foto: F. Schulte-Derne 2010)

Konjunkturbedingte Höhen und Tiefen sowie Standortnachteile der Stahlindustrie im östlichen Ruhrgebiet gegenüber den verkehrsgünstig am Rhein gelegenen Konkurrenzunternehmen führten zu einem permanenten Fusionsprozess in der Eisen- und Stahlbranche. 1906 fusionierte der Hörder Verein mit der Phoenix AG für Bergbau und Hüttenbetrieb in Duisburg-Ruhrort. 1926 schloss sich die Phoenix AG der Vereinigten Stahlwerke AG an. 1951 erfolgte der Zusammenschluss mit der Union zur Dortmund-Hörder-Hüttenunion und 1966 schließlich zur Hoesch AG. Damit waren die Dortmunder Stahlstandorte Westfalenhütte, Union und Hörde zu einem "Stahldreieck" zu sammengefügt. Nach einer nur kurzen Phase des Zusammenschlusses mit dem niederländischen Küstenstahlstandort Hoogovens in Ijmuiden von 1972 bis 1982 folgte 1993 die Fusion mit Krupp in Essen und letztlich 1998 die Fusion von Krupp-Hoesch mit Thyssen zu Thyssen-Krupp-Stahl.

Abb. 3: Nordufer des zukünftigen PHOENIX Sees, Vorbereitung der Terrassen für die Bebauung (Foto: F. Schulte-Derne 2010)

Am 28. April 2001 wurde im Hörder Oxygenstahlwerk, dem noch in den 1960er Jahren modernsten Stahlwerk des Kontinents, die letzte Charge Stahl erblasen. Im Rahmen des Shagang-Projektes zwischen der chinesischen Wuhan Iron and Steel-Group und der Thyssen-Krupp Stahl AG demontierten zeitweilig bis zu 800 chinesische Fachkräfte von März 2002 an über zwei Jahre das Oxygenstahlwerk und die Stranggussanlage sowie den Hochofen III. Vom Träger bis zur kleinsten Schraube numeriert und digital erfasst, erreichten die Anlagen über den Seeweg Handan und Zhangjiagang im Osten Chinas. Allein 40 t Zeichnungen und Pläne umfassen die Unterlagen für die chinesischen Konstrukteure. Vor Ort, von Technikern aus Dortmund beraten, gingen die Anlagen wieder in Betrieb und erzeugen heute deutlich höhere Tagesleistungen als früher in Hörde.

Abb. 4: Naturnahe Emscher am Nordrand des zukünftigen Sees; die Halle im Hintergrund steht auf zukünftigem Seegrund, kann wegen längerfristiger Verpachtung jetzt erst abgerissen werden (Foto: F. Schulte-Derne 2010)

Unmittelbar nachdem die Produktion eingestellt wurde, begannen die Überlegungen zur zukünftigen Nutzung dieses riesigen innerstädtischen Areals. Die Stadt Dortmund rief zusammen mit der Emschergenossenschaft und der PHOENIX See Entwicklungsgesellschaft das Projekt PHOENIX See ins Leben. Im Mittelpunkt der Planungen steht eine innerstädtische Seefläche, die für Freizeit, Erholung sowie für Wohnen und Arbeiten am Wasser zur Verfügung stehen soll. Die alten Gebäude und Werkseinrichtungen auf dem 97 ha großen Gelände der ehemaligen Hermannshütte wurden in den Jahren 2002/03 abgerissen. Fundamente und unterirdische Bauwerke wurden größtenteils abgetragen und kontaminierter Boden entsorgt und ausgetauscht. Insgesamt 2,8 Mio. m3 Erde mussten für den Seeaushub be wegt werden. Die Ufer wurden modelliert und für die ufernahe Bebauung erstellt (Abb. 3). Am 01.10.2010 fiel der Startschuss für die Flutung. Sie erfolgt über Grundwasser aus bereits vorhandenen Brunnen sowie über Regen- und Frischwasser. Für die Füllung mit 600.000 m3 Wasser wird bei einer vorgesehenen Wassertiefe bis zu drei m ein Zeitraum von einem Jahr veranschlagt. Der See wird eine Fläche von 25 ha einnehmen, dazu kommen der Ufersaum und die Emscheraue am Nordrand des Sees, so dass letztlich die Wasserlandschaft etwa 36 ha umfassen wird. Die Emscher, über 150 Jahre als sog. Hoesch-Kanal in bis zu sieben m Tiefe unter dem Werksgelände hindurchgeführt, ist damit wieder an die Oberfläche zurück gekehrt (Abb. 4). In Ost-West-Richtung wird der See eine Länge von 1,2 km haben, die größte Breite wird 310 m messen und der öffentliche Uferrandweg wird ca. drei km lang sein. Am Nordufer sind in erster Linie Ein- und Zweifamilienhäuser geplant, am Südufer hingegen Mehrfamilienhäuser. Insgesamt werden ca. 900 Wohnhäuser entstehen. Ein Teil der Grundstücke konnte bereits verkauft werden. Erste Objekte entstehen im Sommer 2011. Der Bereich an der Hörder Burg ist für Gastronomie und Dienstleistungen vorgesehen, damit sollen der See und sein Umland optisch und funktional an das Hörder Zentrum angebunden werden.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2010