Quellschwemmkegel – eine Sonderform temporärer Karstquellen auf der Paderborner Hochfläche

01.01.2007 Wolfgang Feige

Kategorie: Naturraum

Schlagworte: Geologie · Kreis Paderborn · Karst · Paderborn · Quelle

weiterer Autor: Karl-Heinz Otto

Inhalt

Abb. 1: Quellen im Karstgebiet der Paderborner Hochfläche (Entwurf: W. Feige, Quelle: Decheniana 2005, S. 146)

Die Paderborner Hochfläche ist nicht nur die größte, sondern auch die wasserreichste Karstlandschaft Westfalens (Abb. 1). An ihrem Nordrand entspringen entlang der Bundesstraße 1 in Bad Lippspringe, Paderborn, Salzkotten-Upsprunge und Geseke zahlreiche Dauerquellen, von denen allein die Paderquellen 5 m3/s im Mittel schütten. Im Karstgebiet selbst finden sich dagegen nur in der Nähe der tief liegenden Konfluenz von Alme und Altenau bei Borchen einige wenige perennierende Quellen. Alle übrigen versiegen in den Sommermonaten zeitweilig. Sie werden im Paderborner Land Quickspringe genannt.

Die meisten temporären Quellen liegen in den kastenförmig in die Hochfläche eingeschnittenen Tälern der Alme, der Altenau und der Sauer, häufig am Fuße der Talhänge, aber auch in den Talsohlen, wo sie bei Tudorf und Etteln bis zu 2,5 m tiefe Trichter gebildet haben. Ob, wie lange und wie stark die temporären Quellen fließen, hängt von der Höhe des Karstwasserspiegels ab, die im Jahresverlauf entsprechend dem Witterungsgang schwankt.

Eine Besonderheit des Paderborner Karstes sind die Quellschwemmkegel (in Folgendem auch QSK), die bislang nur hier festgestellt wurden. Auf den zumeist als Grünland genutzten Talsohlen der Alme und ihrer Zuflüsse befinden sich 15 temporäre Quellen, die bis zu 25 l/s schütten, auf schildförmigen Erhebungen, die Höhen von bis zu 2 m und Durchmesser bis zu 50 m erreichen (Abb. 2). Die "Erstentdeckung" der Quellschwemmkegel erfolgte im Jahre 1955 im Zusammenhang mit Färbversuchen zur Klärung der Karstwasserwege. Sextaner des Mauritiusgymnasiums in Büren, deren Aufgabe es war, die Quellen in Niederntudorf zu beobachten und Wasserproben zu entnehmen, stellten als erste fest, dass einige von ihnen "oben auf Hügeln" entsprangen. Einmal auf das Phänomen aufmerksam geworden, entdeckte Feige (1961) im Rahmen der Feldarbeiten für seine Dissertation "Talentwicklung und Verkarstung im Kreidegebiet der Alme" (1961) im  Almetal insgesamt 17 QSK, von denen inzwischen neun durch Wegebau und Drainage ganz oder teilweise zerstört worden sind. Ende der 1990er Jahre wurden auch im Altenaugebiet vier QSK aufgefunden. Der größte von ihnen liegt im Mental, einem linken Nebental der Altenau das unterhalb von Henglarn mündet. Ihm widmeten Feige und Otto 1999 in "GeKo aktuell" eine erste Veröffentlichung. In den folgenden Jahren wurden die Untersuchungen am Henglarner QSK fortgesetzt und auf weitere, insbesondere die Tudorfer Quellen ausgedehnt (Feige/Otto 2005).

Abb. 2: Quellschwemmkegel im Almetal - schematische Darstellung (Entwurf: W. Feige)

Entstehung

Die Entstehung der QSK lässt sich wie folgt erklären: Auf den offenen Feldfluren zwischen den Tälern wird in niederschlagsreichen Zeiten viel toniges und schluffiges Verwitterungsmaterial in Dolinen und Gesteinsklüfte eingeschwemmt und von unterirdischen Karstwasserströmen mitgeführt. Zudem werden bei der Lösung von anstehendem Gestein Residualtone freigesetzt, wodurch der Suspensionsanteil der Karstwässer zusätzlich erhöht wird. Wasserdruck und Turbulenzen verhindern weitgehend eine Klärung der Trübe auf dem unterirdischen Lauf, und so werden die mitgeführten Schwebstoffe in den Quellen zutage gefördert. Hier erlischt die Transportkraft, und die Trübe wird ringförmig um die Quellöffnungen im Gras der Talauen abgelagert. Die frischen Ablagerungen werden von diesem durchwachsen, und die QSK werden allmählich höher. Unter Wald bilden sich keine QSK. Sie können daher erst nach der Rodung der Wälder entstanden sein, deren Beginn an das Ende der Jungsteinzeit datiert werden kann.

Sämtliche QSK liegen physiogeographisch gesehen in den Talauen temporärer Trockentäler. Kulturgeographisch gesehen liegen alle Quellen bis auf die der Gruppe WT (Abb. 1) in Mähweiden. Auch für die Quellen der Gruppe WT  lässt sich nachweisen, dass sie in Weiden gelegen haben, bevor diese 1963 aufgeforstet wurden.

Abb. 3: Singulärer Quellschwemmkegel im Mental (Foto: Alfons Hillebrand)

Der QSK im Mental bei Henglarn (H) und die Tudorfer QSK als Musterbeispiele

Quellschwemmkegel treten zumeist in Gruppen, aber auch singulär auf.

Der größte singuläre QSK befindet sich im Mental südlich von Henglarn (Abb. 3). Er liegt in einer Mähweide linksseitig der Menne und hat einen Durchmesser von ca. 50 m und eine Höhe von 2,5 m. Der Rauminhalt der Aufschüttung beträgt rund 3000 m3. Im Zentrum der schildförmigen Erhebung fließen zeitweilig bis zu sieben Quickspringe, die zusammen mit weiteren kleinen Wasseraustritten auf den Flanken des Kegels bis zu 25 l/s schütten.

Die Wassertemperatur schwankt im Jahresverlauf nur gering zwischen 8 und 9 Grad und lässt Gras auch im Winter sprießen und den Schnee schmelzen. Der QSK ist im Mittel etwa vier Monate im Jahr in Tätigkeit, wobei das Maximum des Abflusses in einem achtjährigen Beobachtungszeitraum (1998 - 2005) in den Monaten Februar und März lag. Das Wasser ist zeitweilig mäßig bis stark getrübt. Es wurden Schwebstoffgehalte bis zu 0,8 Gramm/Liter gemessen. Die Trübe wird größtenteils in unmittelbarere Nähe der Austrittsstellen des Wassers im Gras sedimentiert, wie durch vergleichende Messungen des Schwebstoffgehaltes am Fuße des Kegels nachgewiesen werden konnte. In dem ausgesprochen feuchten Jahr 2002, in dem der QSK nur in den Monaten August und Oktober ohne Abfluss war, in den Monaten Februar und März aber immer floss, wurden rund 9000 kg Schwebstoffe sedimentiert. Die mittlere Sedimentationsrate pro Jahr ist aber wesentlich geringer.

Abb. 4: Quellschwemmkegelreihe bei Niederntudorf (Foto: W. Feige)

Die größte und zugleich am besten erhaltene Quellschwemmkegelgruppe befindet sich in Salzkotten-Niederntudorf. Hier liegen unterhalb des Steinbruchs Stellbrink in der Talaue der Alme vier große QSK und wenig östlich davon drei weitere, im Sommer kaum wahrnehmbare kleinere Hügel, die sich aber im Winter durch ihr frisches grünes Gras aus der Umgebung klar abheben (Abb. 4). Die vier großen, bis zu 2 m hohen Kegel liegen in einer NNW-SSE gerichteten Reihe und sind zu einem flachen Sedimentrücken zusammengewachsen. Der nördlichste Kegel ist als Hügel ausgebildet. Er ist nicht mehr aktiv und besitzt deshalb auch keine Quellöffnung mehr. Die drei anderen QSK weisen bis zu 2,5 m tiefe Trichter auf, in denen in feuchten Jahreszeiten das Karstgrundwasser langsam ansteigt, bis es schließlich überfließt und sich einen Weg zur Alme sucht. Dabei wechselt die Fließrichtung von Zeit zu Zeit, wenn das Wasser sich durch seine Schwebstoffe den bisherigen Weg verbaut. So floss der südlichste QSK bis zum Jahre 2005 ganz überwiegend nach Westen, im Jahre 2006 aber nach Osten ab. Ein Teil des Wassers versickert und verdunstet bereits, bevor es die Alme erreicht. An seiner Einmündung wurden maximal 25l/s gemessen.

Die Tudorfer QSK fließen im Mittel etwas mehr als sechs Monate im Jahr und damit entsprechend ihrer geringeren Höhenlage erheblich länger als der QSK im Mental (212 m über NN, vier Monate im Jahr). Noch länger fließen die 142 m hoch liegenden QSK zwischen Tudorf und Alfen, nämlich 10-11 Monate im Jahr. In den Monaten Februar und März - also gegen Ende des Hydrologischen Winterhalbjahres - fließen alle Quellschwemmkegel nahezu immer.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007