Radon – eine Gefahr in Westfalen?

07.06.2023 Markus Wieneke

Kategorie: Bevölkerung

Schlagworte: Westfalen · Mortalität · Radon

Inhalt

Im April 2023 gingen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz. Doch das Thema wird uns weiterhin beschäftigen – allen voran die Endlagerung der gefährlichen Abfälle, um auch in ferner Zukunft den Austritt radioaktiver Strahlung zu verhindern. Neben dieser künstlich verursachten Radioaktivität gibt es allerdings noch eine natürliche Strahlenbelastung, der alle Menschen permanent ausgesetzt sind. Der Großteil dieser natürlichen Strahlung ist allein auf Radon zurückzuführen.

Was ist Radon, wo kommt es her?

Radon ist ein radioaktives Element, das zur Gruppe der Edelgase gehört. Radon wird vom Menschen nicht wahrgenommen, da man es weder sehen, riechen noch schmecken kann. Es kommt seit jeher überall auf der Erde vor – in der Atmosphäre, im Boden oder auch gelöst im Grundwasser.

Radon entsteht durch den Zerfall vor allem von natürlichem Uran (U-238), das in unterschiedlichen Konzentrationen in den Gesteinen der Erdkruste eingebunden ist. Nach dessen Zerfall diffundiert das entstandene Radon als Gas in den Boden und von dort weiter an die Erdoberfläche, wobei der Transport durch Störungen, Klüfte und Hohlräume im Untergrund noch begünstigt wird.

Abb. 1: Durchschnittliche Radonkonzentrationen in Innenräumen auf Ebene der Kreise / kreisfreien Städte Westfalens (Quelle: BfS 2006 nach Menzler et al. 2006, verändert)

Wie gefährlich ist Radon?

Wenn Radon aus dem Boden ausströmt, vermischt es sich mit der Umgebungsluft. Dies geschieht bei intensiverem Luftaustausch schneller, wie etwa im norddeutschen Tiefland bzw. in Küstennähe, wo im Durchschnitt mehr Wind weht als im Süden Deutschlands. Dementsprechend ist in diesen windexponierten Regionen die Radonkonzentration in den bodennahen Luftschichten geringer. Die bundesweit gemessenen Jahresmittelwerte von Radonkonzentrationen im Freien (gemessen in 1,5 m Höhe) reichen i.d.R. von 3 bis etwa 30 Bequerel pro Kubikmeter Luft (Bq/m3) (BfS 2022a) und bewirken dementsprechend eine eher geringe radioaktive Strahlung.

Im Vergleich hierzu können die Konzentrationen in Innenräumen allerdings um ein Vielfaches höher sein. Deutschlandweit beträgt der Jahresmittelwert in Wohnungen im Durchschnitt 50 Bq/m3, vereinzelt wurden aber auch schon Werte über 1.000 Bq/m3 gemessen (BfS 2023a).

Tückisch dabei ist, dass es bei Radon nach wissenschaftlichen Erkenntnissen keinen Schwellenwert gibt, unter dem eine Konzentration als ungefährlich angesehen werden kann. Umfangreiche Studien zeigen, dass das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, bei einer langjährigen Radonbelastung zunimmt, und zwar um 16% je 100 Bq/m3 Raumluft (BfS 2023b). Radon verursacht Lungenkrebs, da es vom Menschen mit der Atemluft aufgenommen wird. Dabei spielt weniger das Radon als Gas eine Rolle als vielmehr seine Zerfallsprodukte: radioaktive Schwermetalle, die sich in der Lunge absetzen, dort wiederum zerfallen und dabei gefährliche (Alpha-)Strahlen aussenden, was zur Schädigung der umgebenen Zellen führen kann.

Laut dem Bundesamt für Strahlensicherheit (BfS) ist Radon in Deutschland jährlich für rd. 1.900 Todesfälle durch Lungenkrebs verantwortlich (BfS 2023c; BfS 2022b; Menzler et al. 2006/2019). Bei bundesweit laut RKI (2022) insgesamt knapp 45.000 Lungenkrebstoten in 2019 sind das ca. 4,2%. "Damit ist Radon nach dem Rauchen eine der wichtigsten Ursachen für Lungenkrebs" (BfS 2023c).

Abb. 2: Radon-Potenzial in Westfalen – ermittelt aus der Radon­konzentration im Boden und dessen (Gas-)Durchlässigkeit (Quellen: BfS o. J. u. 2020, verändert)

Räumliche Verteilung

Wie Abbildung 1 zeigt, weisen bis auf Teile Südwestfalens sowie vereinzelt im östlichen Landesteil alle anderen westfälischen Kreise bzw. kreisfreien Städte eine unterdurchschnittliche Radonkonzentration in Innenräumen auf. In der gesamtdeutschen Betrachtung sind vor allem Regionen in Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bayern (Grenzregion zu Tschechien) im Mittel viel stärker mit Radon belastet. Hier erreichen die Konzentrationen in den Innenräumen 80 Bq/m3 und mehr. In Niedersachsen hingegen finden sich fast ausschließlich unterdurchschnittliche Werte (BfS 2023a).

Bei Abbildung 1 darf jedoch nicht vergessen werden, dass es sich dabei um räumlich gemittelte Werte handelt, die sich auf die Kreisebene beziehen. Die tatsächliche Radonkonzentration in einzelnen Gebäuden kann unter Umständen erheblich hiervon abweichen und kann nur durch eine gezielte Messung vor Ort bestimmt werden. Die Hauptursachen für die unterschiedlichen Radonkonzentrationen in Häusern sind:

  • variierende Vorkommen von den für die Bildung von Radon verantwortlichen Ausgangsmaterialien, vor allem Uran (große Lagerstätten z. B. in Sachsen und Thüringen, die zu DDR-Zeiten abgebaut wurden; Menzler et al. 2006/2019, S. 5),
  • unterschiedliche Durchlässigkeit des Bodens bzw. des Untergrundgesteins für das entstandene Radon (BfS 2023d),
  • individuelle Faktoren, z. B. Mängel an der Bausubstanz (undichtes Fundament, Risse im Mauerwerk etc.; BfS 2021, S. 2).

Auch innerhalb eines Gebäudes ist die Radonkonzentration nicht überall gleich: I.d.R. sind hier die Werte im Keller bzw. Erdgeschoss am höchsten und nehmen mit zunehmender Stockwerkzahl ab. Das BfS hat während der Corona-Pandemie davor gewarnt, dauerhaft Homeoffice in Kellerräumen zu betreiben, ohne diese auf Radonbelastung zu untersuchen (Stölzel 2021).

Die natürlichen Voraussetzungen dafür, dass bzw. wie viel Radon in Gebäude eindringen kann, sind – wie bereits erwähnt – die Menge an Vorkommen des Gases im Untergrund sowie dessen Durchlässigkeit. Durch Kombination dieser beiden Faktoren wird das sog. Radon-Potenzial ermittelt. Je größer das Radon-Potenzial, desto mehr Radon steht für das Eindringen in Innenräume zur Verfügung. Abbildung 2 zeigt das entsprechende Verteilungsmuster für Westfalen – räumlich zusammengefasst in einem Ras­ter von rund 100 km2. Hierbei zeigt sich ein erhöhtes Radon-Potenzial wiederum vornehmlich in Gebieten des südlichen Westfalens sowie in Teilen von Ostwestfalen, aber auch vereinzelt im Ruhrgebiet. Für viele Regionen Südwestfalens zumindest ist bekannt, dass hier verstärkt Gestein ansteht, bei dem eine erhöhte Radonbildung nachgewiesen ist (v.a. Tonsteine und Granit; LIA 2023). Aber auch für Abbildung 2 gilt: Die räumliche Genauigkeit der für die Karte verwendeten Datenbasis reicht nicht aus, um hieraus konkrete Rückschlüsse auf einzelne Gebäude ziehen zu können.

Fazit

Ist Westfalen nun ein "Radon-Risi­ko­gebiet", oder ist hier die Strah­lenbelas­tung zu vernachlässigen? Zumindest gibt es in ganz NRW der­zeit keine Kommune, in der übermäßig viele Gebäude den gelten­den Referenzwert von 300 Bq/m3 überdurchschnittlich häufig überschreiten und die somit gemäß Strahlenschutzgesetz als sog. Radon-Vorsorgegebiet ausgewiesen werden muss (LIA 2023). In diesen Gebieten – immerhin sind sechs Bundesländer betroffen (BfS 2023e) – gelten für Wohngebäude und Arbeitsplätze besondere Vorschriften zum Schutz vor zu hoher Radonbelastung. Allerdings kann es auch außerhalb dieser Vorsorgegebiete, wenn auch zeitlich und lokal begrenzt, zu einer erhöhten Radonkonzentration und damit Gesundheitsgefährdung kommen. So sterben in NRW laut Menzler et al. (2006/2019, S. 50) jedes Jahr ca. 450 Menschen an Lungenkrebs, der auf Radon zurückgeführt wird.

Wer genau wissen möchte, wie stark der eigene Wohnraum betroffen ist, kann mit fachkundiger Hilfe selbst Messungen vornehmen und anschließend auswerten lassen (BfS 2022c).

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Weiterführende Literatur/Quellen

  • ARD alpha (Hg.) (2021): Radon und Krebs. Aus dem Boden gelangt Radon in Haus und Lunge. (Stand: 15.07.2021) (https://www.ardalpha.de/wissen/gesundheit/radon-krebs-lungenkrebs-radioaktiv-gas-edelgas-strahlung-strahlenbelastung-100.html; abgerufen am 02.06.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (o.J.) : BfS-Geoportal. Layer Radonpotential. (https://www.imis.bfs.de/geoportal/; abgerufen am 24.04.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2006): Karte "Radon in Innenräumen" (nach Menzler et al. 2006) (Stand: 2006). (https://www.bfs.de/SharedDocs/Bilder/BfS/DE/ion/umwelt/radon-karte-innenraeume.jpg?__blob=poster&v=22; abgerufen am 24.04.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2020): Karte "Radon-Potenzial". (Stand: 30.09.2020) (https://www.bfs.de/SharedDocs/Bilder/BfS/DE/ion/umwelt/radon-karte-potenzial.jpg?__blob=poster&v=20; abgerufen am 24.04.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2021): Radon – ein kaum wahrgenommenes Risiko. Salzgitter (Broschüre) (https://www.bfs.de/SharedDocs/Downloads/BfS/DE/broschueren/ion/stko-radon.pdf?__blob=publicationFile&v=13; abgerufen am 26.05.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2022a): Radon im Freien in Deutschland. (Stand: 07.10.2022) (https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/karten/freiluft.html;jsessionid=4218279C0D50837BBD7E5CE7F4FDE95A.1_cid391; abgerufen am 24.05.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2022b): Wie viele Lungenkrebsfälle gehen in Deutschland auf Radon in Wohnungen zurück? (Stand: 23.09.2022) (https://www.bfs.de/DE/bfs/wissenschaft-forschung/stellungnahmen/ion/radon-wohnungen.html; abgerufen am 25.05.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2022c): Schutzmaßnahmen: Was kann ich tun? Was muss ich tun? (Stand: 14.10.2022) (https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/schutz/massnahmen.html; abgerufen am 02.06.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2023a): Radon in Innenräumen in Deutschland. (Stand: 03.04.2023) (https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/karten/innenraeume.html; abgerufen am 24.05.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2023b): Forschung zur Wirkung von Radon auf die Gesundheit. (Stand: 22.02.2023) (https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/wirkungen/forschung.html; abgerufen am 24.05.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2023c): So wirkt Radon auf die Gesundheit. (Stand: 02.03.2023) (https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/wirkungen/wirkungen.html; abgerufen am 25.05.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2023d): Radon in der Boden-Luft in Deutschland. (Stand: 20.01.2023) (https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/karten/boden.html; abgerufen am 26.05.2023)

  • BfS Bundesamt für Strahlenschutz (Hg.) (2023e): Radon-Vorsorgegebiete in Deutschland. (Stand: 05.05.2023) (https://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/radon/karten/vorsorgegebiete.html;  abgerufen am 31.05.2023)

  • LIA Landesinstitut für Arbeitsschutz und Arbeitsgestaltung Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023): Wo kommt Radon in Nordrhein-Westfalen vor? (https://www.radon.nrw.de/radon-vorkommen-nrw; abgerufen am 31.05.2023)

  • Menzler, S. et al. (2006/2019): Abschätzung des attributablen Lungenkrebsrisikos in Deutschland durch Radon in Wohnungen. Salzgitter/Hannover/München (https://doris.bfs.de/jspui/bitstream/urn:nbn:de:0221-2019100719416/3/BfS-26-19.pdf; abgerufen am 24.04.2023)

  • RKI Robert Koch-Institut (2022): Lungenkrebs (Bronchialkarzinom). (Stand: 30.09.2022)
    (https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Krebsarten/Lungenkrebs/lungenkrebs_node.html; abgerufen am 25.05.2023)

  • Stölzel, T. (2021): Bundesamt für Strahlenschutz warnt vor Homeoffice im Keller. In: WirtschaftsWoche vom 14.02.2021 (https://www.wiwo.de/technologie/umwelt/unterschaetzte-gefahr-radon-bundesamt-fuer-strahlenschutz-warnt-vor-homeoffice-im-keller/26907286.html, abgerufen am 26.05.2023)

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Erstveröffentlichung 2023

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