Aspekte der Reurbanisierung durch die Generation 50+: eine Studie in westfälischen „Großstädten“ und ihrem Umland
Zur Aktualität
Diese Altersgruppe weist indessen plausible Gründe auf, die für eine Rückkehr in die Stadt sprechen. So waren hauptsächlich die Geburtenjahrgänge der 1930er bis 1950er Jahre für die in Westdeutschland seit den 1960er Jahren stattfindende Wohnsuburbanisierung ausschlaggebend – zahlreiche wachsende Haushalte verließen folglich die Städte und zogen in eine suburbane Gemeinde. Jedoch veränderten sich in den folgenden Dekaden die Rahmenbedingungen. Zum einen führten der demographische Wandel, eine damit verbundene Änderung der Lebensstile sowie eine steigende Attraktivität der Innenstädte zu einer deutlichen Abschwächung der Suburbanisierung. Zum anderen gestaltet sich auch die Situation der Generation 50+ im suburbanen Raum anders. Die Haushalte haben sich verkleinert, da gewöhnlich die Kinder ausgezogen sind, ein Partner unter Umständen gestorben ist oder Paare mittlerweile getrennt leben. Somit ist der Wohnraum zu groß für die verbliebenen Bewohner, die zudem gealtert sind. Mit einem Umzug in die Stadt könnten die neue Wohnung an den aktuellen Bedarf angepasst und auch die ausgeprägte städtische Infrastruktur genutzt werden.
Zum Begriff
Sub- wie auch Reurbanisierungsprozesse laufen i.d.R. in Großstädten (laut Definition vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) ab. Bezieht man Städte ein, deren Einwohnerzahl geringfügig unter 100.000 Einwohnern liegt, sind in Westfalen insgesamt 15 "Großstädte" vorzufinden (Abb. 1). Der suburbane Raum wird jeweils von den administrativ angrenzenden Städten und Gemeinden gebildet, die nicht als Großstadt definiert wurden.
Zur Reurbanisierung der Generation 50+ in Westfalen
Die Wanderungssalden zwischen den Städten und ihren Umlandgemeinden werden in Tabelle1 für die gesamte Generation 50+ sowie getrennt nach Altersgruppen dargestellt. Dabei können die westfälischen Städte in fünf Kategorien unterteilt werden:
Die größte Kategorie umfasst acht Städte, für die auch weiterhin Suburbanisierungsbewegungen charakteristisch sind (orange). Hierzu zählen Dortmund, Gelsenkirchen, Bielefeld, Paderborn, Hagen, Münster, Bottrop und Bochum. Hingegen sind in Recklinghausen und Herne aufgrund sehr geringer Wanderungsgewinne bzw. -verluste keine eindeutigen Tendenzen abzulesen (gelb).
Betrachtet man den Datensatz differenziert nach den Altersgruppen, so lässt sich für die Gruppe 50–65 Jahre in Siegen, Gütersloh und Hamm eine Rückwanderung in die Stadt festhalten (hellgrün). Dagegen gibt es eine Rückwanderung der Personen über 65 Jahre in Witten (grün). An dieser Stelle muss jedoch eher von Tendenzen gesprochen werden, da ein Prozess Kontinuität und Intensität des Wanderungsvolumens über einen gewissen Zeitraum voraussetzt. Dies ist, wie in Tabelle 1 erkennbar, nicht gegeben.
Iserlohn ist die einzige Stadt, die insgesamt eine deutlich positive Wanderungsbilanz der gesamten Generation 50+ verzeichnet (dunkelgrün). Betrachtet man jedoch beispielhaft die Wanderungen von Iserlohn und den Umlandgemeinden über einen längeren Zeitraum (Tab. 2), muss dieser Eindruck relativiert werden. Es fällt auf, dass über den Zeitraum von zehn Jahren auch in Iserlohn eine Suburbanisierung stattfand. Allerdings ist die Abwanderung seit dem Jahr 2006 deutlich verringert bzw. sogar zu einer Rückwanderung gekehrt. Weiterhin wird deutlich, dass die Unterschiede zwischen den Umlandgemeinden beachtlich sind. Die Wanderungen verlaufen somit zudem räumlich selektiv.
Ein Reurbanisierungsprozess der gesamten Generation 50+ ist demnach für keine Stadt auszuweisen.
Am Beispiel der Stadt Iserlohn lässt sich ferner die sehr geringe Wanderungsbereitschaft der Generation 50+ aufzeigen. Obwohl im Jahr 2010 42% der Einwohner Iserlohns über 50 Jahre alt waren, ist diese Altersgruppe nur für jeden fünften Umzug verantwortlich. Ruheständler haben dabei ein noch geringeres Wanderungsvolumen als die 50–65-Jährigen. Die Generation 50+ stellt eine heterogene Gruppe dar und muss, besonders hinsichtlich neuer Lebensstile und Möglichkeiten, differenziert betrachtet werden.
Die geringe Wohnmobilität lässt auf eine zunehmende Persistenz am Wohnort schließen. Diese Erkenntnis entspricht auch den Ergebnissen aus Forschungsstudien in anderen deutschen Großstädten. So verlassen tendenziell weniger ältere Menschen die Städte, jedoch ziehen sie auch selten aus dem suburbanen Raum in die Stadt. Folglich kann eher von einer Abschwächung der Suburbanisierung und kleinräumigen Reurbanisierungstendenzen der Generation 50+ bzw. Teilen der Altersgruppe gesprochen werden. Somit sind zahlenmäßig vielmehr die Personen, die in den Städten bleiben, die eigentlichen Reurbaniten.
Chancen und Hemmnisse der Reurbanisierung
Im Folgenden werden die Hauptfaktoren aufgezeigt, die laut Literatur hemmend bzw. fördernd auf eine Rückkehr der Generation 50+ in die Städte wirken (vgl. Glasze/Graze 2007, S. 472; Kramer/Pfaffenbach 2011, S. 87–88; Rohr-Zänker 2006, S. 112–118):
Als Chance der Reurbanisierung der Generation 50+ kann zunächst die neu gewonnene Zentralität in der Stadt und die damit verbundene Nähe zu großstädtischer Infrastruktur sowie zu Einrichtungen gesehen werden. Ferner ist die Anpassung an einen neuen Lebensstil, z. B. das Studieren im Alter, als auch die Anpassung der neuen Wohnung an die aktuellen Bedürfnisse oder die Erprobung neuer Wohnformen zu nennen.
Demgegenüber kann festgehalten werden, dass neben einem reduzierten Einkommen im Ruhestand und der Aufgabe des gewohnten (sozialen) Umfeldes besonders der Wohnungsmarkt (s. Beitrag Wittkampf) hemmend wirkt. Oftmals ist der Verkauf von Eigentum im suburbanen Raum schwierig und der städtische Wohnungsmarkt angespannt.
Die Schaffung weiterer Anreize erfordert die Einflussnahme auf den städtischen Wohnungsmarkt und brach liegende Potenziale, soweit dies im Rahmen von Privatisierungen möglich ist. Dabei sollten u. a. Wert auf Barrierefreiheit gelegt und neue Wohnformen gefördert werden. Weiterhin ist ein sicheres und attraktives Umfeld mit ausreichenden Grün- und Erholungsflächen wichtig.
Letztlich lässt ein Verbleiben der Suburbaniten im Umland auch große Herausforderungen für die suburbanen Gemeinden, wie z. B. die Anpassung und Bereitstellung von Infrastruktur, in Zukunft erwarten.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | BBSR Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hg.) (o.J.): Laufende Stadtbeobachtung – Raumabgrenzungen. Stadt- und Gemeindetypen in Deutschland. o. O. (www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Raumbeobachtung/Raumabgrenzungen/StadtGemeindetyp/StadtGemeindetyp2011.html, abgerufen am 05.03.2013) | |
• | Glasze, G. und R. Graze (2007): Raus aus Suburbia, rein in die Stadt? Studie zur zukünftigen Wohnmobilität von Suburbaniten der Generation 50+. In: Raumforschung und Raumordnung, Heft 5/2007. Bonn, S. 467–473 | |
• | Glatter, J. und M. Siedhoff (2008): Reurbanisation: Inflationary Use of an insufficiently defined Term? Comments on the definition of a Key concept of urban geography, with selected findings for the City of Dresden. In: Die Erde, Nr. 139/2008. Berlin, S. 289–308 | |
• | Haimann, R. (2005): Renaissance der Stadtwohnung. (Die Welt online, 27.11.2005, www.welt.de/print-wams/article135507/Renaissance-der-Stadtwohnung.html, abgerufen am 05.03.2013) | |
• | Kramer, C. und C. Pfaffenbach (2011): Junge Alte als neue „Urbaniten“? Mobilitätstrends der Generation 50plus. In: Raumforschung und Raumordnung, Heft 2/2011. Bonn, S. 79–90 | |
• | Rautenberg, H. (2005): Neue Heimat Stadt. (Die Zeit online, 18.08.2005, www.zeit.de/2005/34/StadtRenaissance, abgerufen am 05.03.2013) | |
• | Rohr-Zänker, R. (2006): Wohnungsmärkte im Wandel. In: Bertelsmann Stiftung (Hg.): Wegweiser Demographischer Wandel 2020. Analysen und Handlungskonzepte für Städte und Gemeinden. Opladen, S. 112–118 | |
• | www.geobasis.nrw.de | |
• | www.geodatenzentrum.nrw.de | |
• | www.it.nrw.de |
Erstveröffentlichung 2013