Veränderungen in der Rinderhaltung in (Nordrhein-)Westfalen von 2014 bis 2023
Im letzten Jahrzehnt rückte die Landwirtschaft – nicht zuletzt wegen der notwendigen Anpassung an den Klimawandel – erneut in den Fokus der öffentlichen Diskussionen. Themen bzw. Streitpunkte dabei waren u.a.
- der Gemüse- und Obstanbau für den heimischen Markt (s. Beitrag Boll),
- die Sicherung stabiler Milchpreise in der Milchwirtschaft,
- die Diversifizierung im Getreideanbau und die Vermeidung von sog. Vermaisung von Ackerflächen,
- die Energiegewinnung aus Windkraft, Photovoltaik und Biogas (s. Beitrag Wittkampf),
- die Folgen der Gülleverwertung und Verteilung im Hinblick auf Boden- und Wasserqualitäten (s. Beitrag Pott),
- die Sicherung der Flächenansprüche und Vermeidung von Flächenvernichtung (s. Beitrag Rohleder),
- der Arten- und Landschaftsschutz vor dem Hintergrund des „Green Deal“-Programms der EU,
- die Überlegungen zum Tierwohl bei Geflügel, Schweinen, Rindern.
Was die Viehhaltung anbelangt, so wurde und wird vorwiegend über die Geflügel- und Schweinehaltung (s. Beitrag Rohleder) berichtet. Dagegen wird in der Öffentlichkeit die Rinderhaltung oftmals vernachlässigt. Jedoch haben sich gerade in diesem Bereich der Viehzucht im letzten Jahrzehnt auch hierzulande dramatische Veränderungen ergeben.
Die folgenden Ausführungen stützen sich im Wesentlichen auf Statistiken des Landesbetriebs IT.NRW. Der Stichtag für die Erhebungen im Bereich Viehzucht ist dabei in der Regel der 3. Mai eines jeden Jahres.
Entwicklung und Verteilung: Westfalen vs. Rheinland
Wie Tabelle 1 veranschaulicht, ging die Rinderhaltung während der letzten zehn Jahre in Nordrhein-Westfalen erheblich zurück. Insbesondere die Haltungen von Milchkühen reduzierten sich hier um mehr als ein Drittel.
Als Ursache wird vor allem die negative Entwicklung der Milchpreise – bei gleichzeitigem Anstieg der Futter- und Energiekosten – genannt.
Die Gesamtzahl der Rinder reduzierte sich zwischen 2014 und 2023 in NRW pro Jahr durchschnittlich "nur" um etwas mehr als ein Prozent. Was jedoch die Haltungen anbelangt, so ergibt sich ein anderes Bild: Während die Anzahl der Rinder je Haltung von rd. 79 im Jahr 2014 auf ca. 81 im Jahr 2023 noch eher geringfügig anstieg, wuchs die Aufstallung bei den Milchkühen in diesem Zeitraum von durchschnittlich rd. 59 auf 81 Tiere je Haltung – und damit um mehr als 37%. Dies ist ein deutliches Indiz für den allgemein zunehmenden Konzentrationsprozess in der Milchwirtschaft, bei dem die Rentabilität ausschließlich von der Haltungsgröße abhängig zu sein scheint.
In räumlicher Hinsicht fällt auf, dass bei der Rinderhaltung der westfälische Landesteil gegenüber dem Rheinland sowohl hinsichtlich der Haltungen als auch der Gesamtzahlen stark dominiert. Von den in NRW am 3. Mai 2023 gezählten rd. 1,26 Mio. Rindern wurden 410.440 Tiere im rheinischen Landesteil gehalten. In Westfalen dagegen waren es mit 850.000 Rindern mehr als doppelt so viele (Abb. 1). Allein im Regierungsbezirk Münster lebten mit 473.000 Tieren mehr Rinder als im gesamten Rheinland; dies entspricht einem NRW-weiten Anteil von 37,5%.
Im Zeitraum von 2014 bis 2023 sank die Zahl der Rinder NRW-weit um 13,5% (Tab. 1), im Rheinland absolut um 79.000 Tiere, was einem Rückgang von 16,1% entspricht. In Westfalen belief sich der Rückgang der Rinder im vergangenen Jahrzehnt auf 117.600 Tiere; das bedeutet ein Minus von 12,2%. Dabei verloren das Münsterland 12,8%, Ostwestfalen-Lippe 11,8% und Südwestfalen 11,0%.
Die Landwirte im Rheinland scheinen sich demnach stärker gegen eine Weiterführung der Rinderhaltung entschieden zu haben als die in Westfalen.
Auch die Zahl der Milchkühe sank im Zeitraum von 2014 bis 2023 in NRW um mehr als 43.500 Tiere, was einer Verringerung um 10,3% entspricht (Tab. 1). Am stärksten verlor der Regierungsbezirk Köln mit -16,6%, es folgen die Regierungsbezirke Detmold mit -10,6% und Münster mit -9,4%. Die Zahl der Milchkuh-Haltungen ging NRW-weit sogar um mehr als ein Drittel zurück.
Der Rückgang bzw. die Konzentrationsprozesse in der Rinderhaltung haben vielfältige Ursachen. Der intensive, globale Wettbewerb bei Fleisch spielt dabei ebenso eine wichtige Rolle wie die enorm gestiegenen Futtermittelpreise – Entwicklungen, mit denen große Betriebe generell besser zurechtkommen.
In der Milchwirtschaft bestehen zudem große wirtschaftliche Probleme aufgrund des Milchentgeltes. Die von Molkereien und dominierenden Lebensmittelketten "diktierten" Preise für Milch stellen vor allem kleinere Milchbetriebe vor existenzielle Herausforderungen (Abb. 2). Zudem haben zahlreiche Höfe keine/n Nachfolger/in und steigen daher auf andere Betriebsformen um oder verpachten ihre Flächen.
Regionale Aspekte
Abbildung 3 verdeutlich am Beispiel der Haltungszahlen, dass innerhalb Westfalens die Rinderhaltung (insgesamt wie auch bezogen auf Milchkühe) im Regierungsbezirk Münster mit Abstand am bedeutendsten ist.
Abbildung 4 unterstreicht diese Aussage und verdeutlicht zudem die Dominanz vor allem der drei Münsterland-Kreise Borken, Steinfurt und Warendorf. Im Kreis Borken sind 15,3% der Rinder Nordrhein-Westfalens aufgestallt, im Kreis Steinfurt sind es 9,2%, im Kreis Warendorf immerhin noch 5,3%. Das heißt, in den Ställen und auf den Weiden allein dieser drei Kreise befindet sich fast ein Drittel aller Rinder unseres Bundeslandes. Es folgen der Hochsauerlandkreis mit 4,9% und der Kreis Coesfeld mit 4,3%.
Abbildung 4 beinhaltet neben der Summe aller Rinder je Kreis bzw. kreisfreier Stadt auch entsprechende Zahlen zu den Haltungen. Auch hierbei zeigt sich ein eher uneinheitliches Bild. In Bezug auf die durchschnittliche Größe der Gesamt-Rinderzahl je Haltung z.B. liegt der Kreis Borken mit 118 Tieren weit vor den Kreisen Recklinghausen (92) und Coesfeld bzw. Steinfurt (je 91). Die mit Abstand wenigsten Tiere pro Haltung gibt es im Kreis Siegen-Wittgenstein (30), dann folgen die Kreise Höxter (48) und Olpe (50). Bei den Milchkühen schwanken die durchschnittlichen Haltungsgrößen ebenfalls stark – von 112 Tieren im Kreis Recklinghausen bis zu 39, wiederum im Kreis Siegen-Wittgenstein.
Fazit
Die Rinderhaltung in NRW bzw. Westfalen befindet sich seit einem Jahrzehnt in einem Umbruch, dessen Entwicklung heute nicht abgeschlossen erscheint.
Vor dem Hintergrund eines – auch für die Landwirtschaft geltenden – globalen Marktes, eines sich ändernden Konsumverhaltens der Verbraucherinnen und Verbraucher bei Fleisch- und Milchprodukten, eines anzustrebenden gesicherten Einkommens für die in der Landwirtschaft Tätigen und nicht zuletzt einer noch stärkeren ökologischen und klimapolitischen Ausrichtung steht die Rinderhaltung – auch in der "Intensivregion" Münsterland – in Zukunft vor weiteren großen Herausforderungen.
Weiterführende Literatur/Quellen
- IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023): Landwirtschaftliche Haltungen mit Rindern und Rinderbestände - kreisfreie Städte und Kreise.
(https://www.landesdatenbank.nrw.de/ldbnrw//online?operation=table&code=41312-01i&bypass=true&levelindex=0&levelid=1697115293032) - Landwirtschaftliches Wochenblatt, Heft 7/2023, S. 51ff. ("Marktübersicht Milch")
(https://www.wochenblatt.com/suche_archiv_8769610.html?issueyear=2023&issuesequence=07&query=&year=2023&sequence=07&sortfieldwithorder=issue_desc&filterbytree=0&page=3) - Schmidtmann, A. (2023): Milchmarkt NRW: Festere Preise in Sicht.
(https://www.wochenblatt.com/milchmarkt-nrw-festere-preise-in-sicht-13415909.html) - https://www.westfalen-regional.de/de/biogas/
- https://www.westfalen-regional.de/de/gemuesesorten/
- https://www.westfalen-regional.de/de/landwirtschaftsflaechen/
- https://www.westfalen-regional.de/de/schweinehaltung/
-
https://www.westfalen-regional.de/de/trinkwasser_probleme/
Erstveröffentlichung 2023