25 Jahre saurer Regen in Westfalen
Die im Münsterland gemessenen pH-Werte des Regens lagen von Anfang an um 0,3 bis 0,5 pH-Einheiten höher als im südlichen und östlichen Westfalen (Abb. 1). Das scheint gering, es muss aber der logarithmische Charakter der pH-Werte bedacht werden. So entspricht eine pH-Absenkung um 0,3 Einheiten etwa einer Verdopplung, eine Absenkung um 1 Einheit einer Verzehnfachung der Säureaktivität. Der pH-Anstieg im Münsterland erklärt sich durch die Ammoniakemissionen der Massentierhaltung; Ammoniak (NH3) neutralisiert einen Teil der freien Säure (H+) im Regenwasser unter Bildung von Ammonium (NH4+). Folglich steigen die pH-Werte. Anschaulich wird dieser Effekt besonders im Vergleich der pH-Werte im Regen des nordwestlichen und südöstlichen Teutoburger Waldes (Abb. 1). Während der Regen im Nordwesten des Waldgebietes in den 1980er Jahren einen mittleren Säuregrad von pH 4,4 aufwies, lag dieser im südöstlichen Teutoburger Wald bei pH 3,3. Der Regen war hier also ca. zehnfach saurer, der Einfluss des münsterländer Gülle-Belts mit seinen hohen Ammoniakemissionen war im südöstlichen Teutoburger Wald weniger wirksam, hier prägten auf dem Luftweg herantransportierte Säurebildner aus dem Ballungsraum Rhein-Ruhr den Säuregrad des Regenwassers.
Vor und nach der Jahrtausendwende verminderte sich der Säuregrad des Regens infolge rückläufiger Säurebestandteile auch in Westfalen deutlich (Abb. 1, 2004-Daten). Der Anteil von Regenwasserproben mit pH-Werten > 5 stieg von weniger als 10% Anfang der 1980er Jahre auf fast 60% in den Messjahren 2003/2004 (Abb. 2). Besonders drastisch war der pH-Anstieg im Regen des Münsterlandes und des in Hauptwindrichtung nachgelagerten nordwestlichen Teutoburger Waldes (Abb. 1). Die Zunahme vom pH-Mittel 4,4 auf 6,4 bzw. 6,2 bedeutet eine Abnahme der freien Säure um etwa das Hundertfache. Im Messzeitraum 1985/1986 schwankten die Regen-pH-Werte (Monatsmittel) im nordwestlichen Teutoburger Wald zwischen 3,6 und 4,8, der Freilandregen war also meist anthropogen versauert. 19 Jahre später, im Messzeitraum 2004/2005, lagen die pH-Werte zwischen 6,0 und 6,9, erreichten also fast den chemischen Neutralpunkt pH 7.
Da der saure Regen definitionsgemäß nur die freie Säure umfasst, nicht aber die verborgene Säure, sind pH-Werte allein ein ökologisch trügerisches Maß. Der entsäuerte Regen hat noch immer saure Wirkungen. Im Regen bleiben sie verborgen, "versteckt" im Ammonium-Molekül. Im Boden aber setzt das mit dem Regen eingetragene Ammonium H+-Ionen frei, entweder direkt bei der Pflanzenaufnahme oder indirekt über die Nitratbildung. Zudem wirken Ammonium und Nitrat düngend, verstärken also das Nährstoffüberangebot, die sog. Eutrophierung. Besonders betroffen sind im Münsterland noch vorkommende sand-oligotrophe Biotope mit sehr seltenen Pflanzenarten. Der saure Regen mit seinen niedrigen pH-Werten mag der Vergangenheit angehören, die versauernden und eutrophierenden Effekte des Regens im Ökosystem aber keinesfalls. Sie stellen heute das eigentliche Umweltproblem dar.
Weiterführende Literatur /Quellen
• | Block, J. und U. Bartels (1983): Pilotprojekt "Saurer Regen". Hohe Konzentrationen von Luftverunreinigungen in den Waldniederschlägen. In: LÖLF-Mitteilungen 4/1983. Recklinghausen, S. 19-20, 29-34 | |
• | Gehrmann, J. (2003): Atmosphärische Stoffeinträge und deren Langzeitwirkungen im Wald. In: LÖBF-Mitteilungen 2/03. Recklinghausen, S. 24-29 | |
• | Kuttler, W. (1986): Raum-zeitliche Analyse atmosphärischer Spurenstoffeinträge in Mitteleuropa. Paderborn (= Bochumer Geographische Arbeiten, Heft 47) | |
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Lethmate, J., B. Eickelmann und T. Worringer (2002): Der nordrhein-westfälische Gülle-Belt und sein Einfluss auf die Deponate des Teutoburger Waldes. In: Geo-Öko, Band 23. Bensheim, S. 61-75
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Erstveröffentlichung 2007