Spitzenrestaurants in Westfalen holen auf
In Deutschland werden aktuell (April 2023) 334 Restaurants mit Sternen des Guide Michelin ausgezeichnet, so viele wie nie zuvor. Darunter sind zehn 3-Sterne-Häuser, die höchste Klassifizierung, 50 2-Sterne-Häuser und 274 Restaurants mit einem Stern.
Die Küche in Deutschland hat sich in den letzten drei Jahrzehnten sehr dynamisch entwickelt. Während vor rd. 30 Jahren gehobene Gastronomie fast ausschließlich mit französischer Küche in Verbindung gebracht wurde, haben bis heute vor allem junge Gastronomen eine eigene Identität mit heimischen Produkten entwickelt – modern und raffiniert interpretiert. Dabei finden auch immer mehr vegetarische und vegane Gerichte den Weg in die Spitzengastronomie. So wurde 2020 das erste rein vegane Restaurant mit einem Stern ausgezeichnet (in Frankfurt a.M.). Insgesamt ist heute die Präsentation und das Ambiente wesentlich lockerer und legerer.
Die Verteilung der Sterne-Restaurants auf die deutschen Bundesländer zeigt einige Auffälligkeiten (Tab. 1): Während der Durchschnitt in Deutschland im Jahr 2023 bei 4,0 Restaurants je 1 Mio. Einwohnern liegt, weisen Baden-Württemberg (6,7), Berlin (6,5), Rheinland-Pfalz (6,3) und das Saarland (6,1) deutlich überdurchschnittliche Werte auf. Die Ursachen dafür sind überaus vielschichtig und nicht so einfach zu ergründen: Einerseits beeinflusst sicher vor allem die französische aber auch die mediterrane Küche den Südwesten Deutschlands. Außerdem fällt auf, dass in Baden-Württemberg die hohe Konzentration von Sterne-Restaurants in Zusammenhang steht mit dem Meisterkoch Harald Schubert in Baiersbronn-Tonbach. Seit über 25 Jahren trägt er drei Sterne und hat in der Zeit zahlreiche Köche ausgebildet, die zusammen mittlerweile rd. 70 der 334 Sterne im Guide Michelin besitzen. 2023 arbeiten 22% aller Sterneköche Deutschlands in Baden-Würtemberg.
NRW liegt mit 3,1 Sterne-Restaurants je 1 Mio. Einwohnern unter dem Durchschnitt. Der Landesteil Westfalen schneidet zwar mit einem Wert von 1,5 noch schlechter ab, hat aber im Vergleich zum Jahr 2020 (1,1) etwas aufgeholt. Weniger Sterneköche gibt es nur noch in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg, wohl wegen der jahrzehntelangen Abschottung von hochwertigen und frischen Lebensmitteln sowie fehlender Offenheit, Neugierde und internationaler Einflüsse (Huter/Eichhorn 2005). In Bremen gibt es gar kein Sterne-Restaurant (Tab. 1).
Insgesamt zeigt sich bundesweit ein Südwest-Nordost-Gefälle. Grundsätzlich sind dabei vor allem große Städte, Metropolen und touristisch geprägte Regionen bevorzugt (Hotelübernachtungen), da dort die Anzahl "zahlungskräftiger" Gäste höher ist, allerdings scheint es keinen Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen und Spitzengastronomie zu geben (Huter/Eichhorn 2005). Wichtiger ist scheinbar die geographische Nähe zu Frankreich bzw. Italien. Aber Genuss will auch gelernt sein. So erfreuen sich die Menschen im Süden und Westen der Republik eher an einem kulinarischen Genuss als die im Norden und Osten.
Restaurants in Westfalen
In Westfalen wurden 2023 zwölf Restaurants in die "Sternenklasse" aufgenommen, drei mehr als 2020. Allerdings verlor dabei das bisherige 2-Sterne-Restaurant "Rosin" von TV-Koch Frank Rosin in Dorsten-Wulfen einen Stern. Unweit, in der Dorstener Innenstadt, residiert der ebenfalls bekannte WDR-Koch Björn Freitag mit seinem Restaurant "Goldener Anker" und einem Stern. Ebenfalls mit einem Stern ausgezeichnet sind die Restaurants "Grammons" und "The Stage" in Dortmund, "Balthasar" in Paderborn, "Reuter" in Rheda-Wiedenbrück, die "Ratsstuben" im Ratshotel in Haltern am See, die "Hofstube" im Hotel Deimann in Schmallenberg und "Jan Diekjobst" in Detmold. Führend in Westfalen ist seit 2023 die Stadt Münster: Das "Cœur D‘Artichaut" am Alten Fischmarkt wurde zum alleinigen 2-Sternehaus in Westfalen, jeweils einen Stern bekamen das "Spitzner" und das "BOK Restaurant Brust oder Keule".
In der Anerkennung etwas abgestuft ist die Auszeichnung "Bib Gourmand", die für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis steht und in Westfalen zwölfmal vergeben wurde, davon zweimal in Hattingen.
In Westfalen verteilen sich alle ausgezeichneten Häuser relativ gleichmäßig (Abb. 1), wobei es durchaus eine gewisse Konzentration im Münsterland gibt, während das südliche Westfalen eher unterrepräsentiert ist. Es scheint keinen direkten Zusammenhang zu geben zwischen der Größe einer Stadt und der Existenz eines Sterne-Restaurants. Insgesamt finden sich – mit Ausnahme von Münster – die dekorierten Betriebe sogar eher in mittelgroßen Städten.
Weiterführende Literatur/Quellen
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Die Glocke vom 15.11.2017: Rekord: 300 Restaurants mit Sternen ausgezeichnet. |
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Die Glocke vom 05.04.2023: Michelin vergibt erneut Rekordzahl an Sternen. In NRW legt Münster deutlich zu. |
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Grothues, R. (2020): Spitzenköche in Westfalen. |
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GUIDE MICHELIN (2020): Deutschland. Hg. v. Michelin Travel Partner. Boulogne Billancourt (Frankreich) |
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Huter, J. u. L. Eichhorn (2005): Spitzengastronomie in Deutschland. In: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, 11/2005. Stuttgart, S. 3–13 |
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SZ Süddeutsche Zeitung vom 12.11.2015: Das sind Deutschlands beste Restaurants. |
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WN Westfälische Nachrichten vom 15.01.2018: Kaiserhof schließt Sternerestaurant "Gourmet 1895". |
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https://guide.michelin.com |
Erstveröffentlichung 2018, Aktualisierungen 2020, 2023