Dortmund – Stadtbild im Wandel

14.01.2020 Friedrich Schulte-Derne

Abb. 1: Kunst- und Kultur- einrichtungen sowie sonstige markante Gebäude in Dortmund 2019 (Entwurf: F. Schulte-Derne)

Mehr als 1.100 Jahre wechselvolle Siedlungsgeschichte prägen die einstige Freie Reichs- und Hansestadt Dortmund bis heute. So fällt u.a. das Oval des durchgehend mit Bäumen bestandenen Straßenrings auf, der die heutige Innenstadt umgibt. Die als Wall bezeichnete, mehrspurige Straße markiert den Verlauf der ehemaligen Stadtbefestigung. Um 1200 entstanden, hatte sie fast 650 Jahre lang die Stadt beschützt, aber auch eingeengt. Nach Schleifen der Mauern im 19. sowie den Kriegszerstörungen im 20. Jh. wurde der Wall in der Wiederaufbauphase Standort für bedeutende städtebauliche Projekte. So entstanden in den 1950er Jahren am Südwall das Stadthaus, am Ostwall das Museum für moderne Kunst, das heutige Baukunstarchiv NRW, und 1966 das Stadttheater am Hiltropwall (Abb. 1). Nach und nach sind bis heute die aus städtebaulicher Sicht interessanten Filetstücke entlang des Walls für architektonisch und funktional bedeutende Gebäude weiter bebaut bzw. umgestaltet worden.

Seit 1994 begrenzt das Verlagshaus Harenberg City Center die Westseite des Bahnhofsvorplatzes (Abbn. 1 u. 2). Der niedrigere, spitz zulaufende Gebäudeteil mit dem Eingangsbereich betont auf originelle Weise den bogenförmigen Verlauf des Walls. Überragt wird dieser Komplex von einem 73 m hohen Hochhausblock.

Abb. 2: DFB-Fußballmuseum mit Harenberg City Center im Hintergrund (re.) (Foto: F. Schulte-Derne 2018)

Dem Hauptbahnhof gegenüber liegt der Neubau der Stadt- und Landesbibliothek von 1999 (Abb. 3). Der Entwurf des Schweizer Architekten Mario Botta nimmt Bezug auf die historische Lagesituation. So soll der hintere Gebäuderiegel aus rotem Sandstein mit seiner regelmäßigen Durchfensterung die Stadtkante als Grenze zwischen der Altstadt und den ehemaligen Wallanlagen markieren, während sich der öffentliche Teil der Bibliothek aus der Enge der Stadt befreit und als gläserne Rotunde in den Freiraum ragt.

Am Aufbau einer Kulturmeile hat nicht zuletzt das Konzerthaus, die Philharmonie für Westfalen, erheblichen Anteil. Auf dem Gelände eines ehemaligen Kinos entstand 2002 an der Brückstraße, inmitten enger städtischer Bebauung, ein rechteckiger Gebäudekomplex, der durch seine ausgeklügelte Architektur 1.500 Zuschauern vorzügliche Akustik bietet. Die bewusste Standortentscheidung als Strukturverbesserung für das Quartier erfuhr in unmittelbarer Nähe mit der Ansiedlung des Orchesterzentrums NRW eine Ergänzung. Seit 2009 erhalten angehende Orches­termusiker in einer gemeinsamen Einrichtung der Musikhochschulen des Landes an der Brückstraße ihre Ausbildung.

Abb. 3: Königswall am Bahnhof, in der Mitte die Stadt- und Landes- bibliothek mit dem RWE Tower (re.) (Foto: F. Schulte-Derne 2008)

Hinter der Bibliothek erhebt sich seit 2005 der ellipsenartige RWE-Tower, ein 100 m hohes Verwaltungsgebäude, dessen 22 Etagen von der RWE Westfalen-Weser-Ems genutzt werden (Abb. 3). Der älteste Hochhauskomplex der Stadt jedoch ist das Kellereihochhaus der ehemaligen Dortmunder Union Brauerei. Hier wurden seit 1927 verschiedene Bearbeitungsstufen und Produktionsfolgen der Kühlung, Gärung und Lagerung von oben nach unten unter einem Dach organisiert. Das mächtige, seit 1968 von einem beleuchteten U bekrönte Turmgebäude markierte seit Ende des 19. Jh.s den Beginn der Dortmunder Biermeile, der Ansammlung namhafter Großbrauereien entlang der Rheinischen Straße. Noch in den 1970er Jahren galt Dortmund als größter Braustandort in Europa. Als letzte der Brauereien an der Rheinischen Straße stellte die Union 1994 hier am Standort endgültig den Betrieb ein (Abb. 4).

Zur RUHR.2010, Kulturhauptstadt Europas, hat das Dortmunder U nach mehrjährigen grundlegenden Umbauarbeiten neue Funktionen erhalten: So wurde u.a. auf ca. 80.000 m2 Fläche ein Zentrum für Kunst und Kreativität zur Stärkung der Kreativwirtschaft in der Region eingeweiht (s. Beitrag Terbeck). Unter dem U zeugen künstlerische Installationen auf LED-Großbildflächen von der Arbeit des bundesweit ersten Zentrums für Kreative Industrien mit dem Schwerpunkt Musik und Medien. Über Treppenhäuser und Aufzüge, die Einblick in die volle Höhe des gesamten Baukörpers gestatten, erreicht man Etagen, die von unterschiedlichen Einrichtungen der Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft eingenommen werden. Hierzu gehören z.B. das Zentrum für Kulturelle Bildung im digitalen Zeitalter, das Forschungszentrum Medienkunst, sowie in Kürze das European Centre for Creative Economy und das standortversetzte Museum Ostwall mit seinen Sammlungen zur modernen Kunst des 20. und 21. Jh.s.

Abb. 4: Dortmunder U: Zentrum für Kunst und Kreativität in der ehemaligen Union Brauerei (Foto: F. Schulte-Derne 2010)

Seitdem 2008 die letzte innerstädtische U-Bahntrasse in Betrieb gegangen ist, konnte die Kampstraße nach Wegfall der oberirdischen Gleise als fußläufige Verbindung vom Zentrum zum Dortmunder U als breiter Boulevard angelegt werden (Abb. 1). Bäume und Sitzplätze sorgen für eine größere Attraktivität und binden den neu entstandenen westlichen Teil der City stärker an das Zentrum an.

Die verschiedensten Pläne zur verstärkten Integration des Einzelhandels im Rahmen der Bahnhofsumgestaltung sind wegen fehlender Investoren letztlich gescheitert. Die Gebäude des Hauptbahnhofs aus den 1950er Jahren wurden und werden z.T. noch im Bereich der Bahnsteige unter Einbeziehung der vorhandenen Bausubstanz und unter weitgehender Beibehaltung der bisherigen, eher bescheidenen Ausstattung mit Einzelhandel saniert und zeitgemäß renoviert.

Abb. 5: Shoppingcenter Thier Galerie, Eingang Westenhellweg (Foto: F. Schulte-Derne 2018)

Somit ist es nicht zu einer Konzentration von Ladenlokalen abseits der Haupteinkaufsstraßen gekommen. Dieser Trend wurde durch das 2011 eröffnete großflächige Shopping Center Thier Galerie (Abbn. 1 u. 5) noch verstärkt, das sich als Kundenmagnet am oberen Westenhellweg etabliert hat. Auf der Fläche der bis 1996 hier produzierenden Thier Brauerei entstand ein weit verzweigter Gebäudekomplex mit 33.000 m2 Verkaufsfläche für 150 Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe sowie weitere 5.000 m2 für Büronutzung. Dem sog. Haus-in-Haus-Konzept folgend ist ein freistehendes Dreiecksgebäude, das von Ladenstraßen umgeben und über Brücken angeschlossen ist, als Kern des Shopping Centers entstanden. Die Hauptzugänge führen in Anlehnung an Vorgängerbauten vom Wall durch erhaltene Gebäudeteile der ehemaligen Verwaltung der Brauerei und vom Westenhellweg durch die wiederhergestellte klassizistische Fassade eines ehemaligen Kaufhauses (Abb. 5). Die Koordination von Planung und Bau sowie das Management gehen auf die Hamburger ECE zurück, einer Tochter der ehemaligen Versandhausgruppe Otto. Der Konzern hat europaweit ca. 200 Standorte in insgesamt 11 Ländern im Management.

Positive Effekte für das Bahnhofsumfeld haben sich aus städtebaulicher Sicht durch den Bau des DFB-Fußballmuseums (Abbn. 1 u. 2) ergeben. So verstärkt der Standort für das Museum auf dem ehemaligen Gelände des Busbahnhofs die Bemühungen, die sich West-Ost erstreckende Kunst- und Kulturmeile architektonisch und funktional prominent zu komplettieren. Das Museum, 2015 eröffnet, hat sich als eine Tourismusdestination von nationalem, z.T. von internationalem Rang etablieren können.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2010, Aktualisierung 2019