Öffentliche Trinkwasserversorgung in Westfalen

01.01.2007 Markus Wieneke

Inhalt

Westfalen ist eine wasserreiche Region. Doch trotz dieses klimabedingten Überschusses stehen die hiesigen Wasserversorgungsunternehmen permanent vor einer großen Herausforderung. Sie müssen den fast 8,3 Mio. Menschen, die an das öffentliche Netz angeschlossen sind (98% der gesamten Bevölkerung Westfalens), zu jeder Zeit Trinkwasser in ausreichender Menge zur Verfügung stellen.

Unternehmensstruktur

Über 300 Unternehmen sichern die Wasserversorgung in Westfalen. Dabei sind die Größe der Betriebe und dementsprechend die produzierten Wassermengen sehr unterschiedlich. Die überwiegende Zahl der Unternehmen besteht aus kommunal agierenden Stadt- und Gemeindewerken sowie so genannten Wasserzweckverbänden und -interessensgemeinschaften. Letztere sind Kleinstunternehmen, die lediglich einen Ortsteil oder sogar nur einen Straßenabschnitt mit wenigen tausend Kubikmetern Wasser pro Jahr versorgen. Sie sind vornehmlich in ländlich geprägten Regionen wie dem Sauer- und Siegerland sowie in Ostwestfalen anzutreffen.

Im Gegensatz dazu gibt es nur wenige überörtliche bzw. regional bedeutende Unternehmen, die mehrere Kommunen mit Trinkwasser beliefern und dieses ggf. auch bis zu den einzelnen Haushalten verteilen. Mit Abstand größter Wasserversorger in Westfalen ist die GELSENWASSER AG mit Sitz in Gelsenkirchen. Deren Vertriebsgebiet erstreckt sich hierzulande über weite Teile des Ruhrgebietes, des südlichen Münsterlandes sowie vereinzelt bis nach Ostwestfalen. Hierhin werden jährlich schätzungsweise 200 Mio. Kubikmeter Wasser abgegeben. Da das Unternehmen zudem nicht nur in anderen Teilen Deutschlands, sondern auch international als Wasserversorger tätig ist, kann man durchaus von einem Global Player der Branche sprechen.

Insgesamt ist die westfälische Wasserwirtschaft analog zur bundesweiten Situation durch eine weitverzweigte Struktur von Unternehmensbeteiligungen gekennzeichnet. So sind z.B. nur noch wenige Stadtwerke zu 100% in der Hand der jeweiligen Kommune. Vielerorts haben sich andere öffentliche und verstärkt private Versorger eingekauft. Um eine völlige marktwirtschaftliche Ausrichtung der deutschen wie internationalen Wasserwirtschaft ähnlich wie in der Strom- und Gasbranche zu unterbinden, hat sich die europäische Politik kürzlich gegen eine solche Liberalisierung ausgesprochen.

Abb. 1: Grundwasserlandschaften und Gewinnung nach Wasserarten 2004 (Entwurf: M. Wieneke, verändert aus Geogr.-landeskundl. Atlas von Westfalen; Quellen: Geologisches Landesamt NRW, LDS NRW)

Wasserförderung

Westfalen übergreifend wird Trinkwasser vorrangig aus so genanntem angereicherten Grundwasser (42%) sowie direkt aus dem Grundwasser (40%) gewonnen. Mit großem Abstand folgt die Förderung aus Fluss- und Talsperrenwasser (insges. 11%). Die übrigen Gewinnungsmethoden aus Uferfiltrat und Quellwasser spielen hierzulande mit zusammen 7% eine eher untergeordnete Rolle.

Die Schwerpunkte der westfälischen Wassergewinnung stellen die Kreise Recklinghausen und Unna dar (Abb. 1). Hier wird fast die Hälfte des in ganz Westfalen geförderten Wassers "produziert". Zentren sind die von der GELSENWASSER AG betriebene Talsperre Haltern mit dem zugehörigen Wasserwerk (s. Beitrag Peterwitz) sowie die Wasserwerke entlang der Ruhr in Schwerte (s. Beitrag Wittkampf), die allesamt aus angereichertem Grundwasser fördern. Darüber hinaus existiert mit den Halterner Sanden einer der größten und bedeutendsten natürlichen Grundwasserspeicher NRWs.

Generell sind die Mengen des gewinnbaren Grundwassers maßgeblich von der Beschaffenheit des Untergrundes abhängig. Es gibt hydrogeologische Gunsträume, in denen sich viel Grundwasser in mikroskopisch kleinen Gesteinshohlräumen (Porengrundwasser) und größeren Gesteinsfugen (Kluftgrundwasser) ansammeln kann. In solchen Gebieten wie z.B. den Kreisen Borken und Steinfurt sowie in Ostwestfalen ist der Anteil der Grundwasserförderung entsprechend hoch. Im Gegensatz dazu besitzen die Grundwasserleiter in anderen Regionen eine wesentlich geringere Speicherkapazität. Somit sind dort kaum nennenswerte Vorkommen zu finden (z.B. im Kernmünsterland) bzw. diese nicht sehr ergiebig - wie in Südwestfalen (s. Beitrag Meßer). Aus dem Grund wird im Sauer- und Siegerland der Grundwassermangel durch verstärkte Gewinnung v.a. aus Talsperren-, aber auch aus Quellwasser kompensiert (Abb. 1). Da die Talsperren darüber hinaus als Wasserstandsregler für die Ruhr fungieren, stellen sie eine unverzichtbare Komponente der Wasserwirtschaft im Ruhrgebiet dar (s. Beitrag Wieneke).

Die großen Fördermengen in den Kreisen Recklinghausen und Unna sind notwendig aufgrund der enormen Trinkwassernachfrage im Ruhrgebiet, einem der dicht-bevölkertsten Ballungsräume Europas. Der Durst dieser Region kann nur durch zusätzliche Gewinnung aus angereichertem Grundwasser gelöscht werden, da selbst die reichhaltigen "echten" Grundwasservorkommen der Halterner Sande dafür bei weitem nicht mehr ausreichen. Auch wird hier in vielen Städten - darunter Dortmund, Gelsenkirchen und Hamm - gar kein Wasser gefördert; somit muss die Ressource über ein Netz von Fernleitungen weiträumig verteilt werden.

Die Wasserversorgung ist somit in weiten Teilen des Ruhrgebietes zentral organisiert, im Gegensatz etwa zum schwächer bevölkerten Ostwestfalen, wo meistens dezentrale Strukturen vorherrschen, die Kommunen sich also selbstständig mit Trinkwasser versorgen.

Abb. 2: Täglicher Wasserverbrauch pro Person in l 2004 (Quellen: LDS NRW, Statistisches Bundesamt)

Wasserverbrauch im Vergleich

Abb. 2 zeigt, dass der Wasserverbrauch in Westfalen mit 131 Litern pro Person und Tag etwas über dem Bundesdurchschnitt von 126 Litern liegt. Der NRW-weit höhere Verbrauch von 139 Litern ist durch einen entsprechenden Wasserbedarf des Rheinlandes zu erklären. Nordrhein-Westfalen gehört damit bundesweit zu den Spitzenkonsumenten. Höhere Verbrauchszahlen weisen nur noch die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein auf.

Die Einwohner der neuen Bundesländer hingegen benötigen durchschnittlich viel weniger Wasser. Als Gründe dafür werden u.a. die dort generell höheren Wasserpreise und ein schonenderer Umgang mit der Ressource angegeben.

Im europäischen Vergleich zählt Deutschland mittlerweile zu den Geringverbrauchern. Während Nationen wie Island (304 Liter), Schweiz (249 Liter), Norwegen (234 Liter) und Italien (213 Liter) deutlich mehr Wasser benötigen, tendieren die Deutschen weiter zum Wassersparen, was auch durch den vermehrten Einsatz entsprechender Technik in den Haushalten begünstigt wird. Dadurch hat sich der Pro-Kopf-Verbrauch seit 1990 bereits um über 14% verringert.

Es ist zu vermuten, dass diese Entwicklung - wenngleich etwas abgeschwächt - auch in Zukunft anhalten wird. Angesichts des wesentlich niedrigeren Wasserbedarfs in den Ostdeutschen Bundesländern dürften auch in Westfalen noch weitere Einsparpotenziale vorhanden sein.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2007