Wasser aus den Ur-Ems- und -Werse-Rinnen

01.01.2010 Peter Wittkampf

Das Kreidebecken des Münsterlandes wird aus Schichten der Ober- und der höheren Unterkreide gebildet. Sie sind in der Regel mehrere hundert Meter, zum Teil etwa tausend Meter mächtig. Ein jüngerer Teil dieser Gesteine tritt z. B. in den Beckumer Bergen zutage (s. Beitrag Temlitz).

Die relativ flach gelagerten Kreidegesteine haben vielfach tonig-mergelige Schichten ausgebildet, die das Grundwasser entweder gar nicht (sog. Aqui­clude) oder nur schlecht (sog. Aquitarde) leiten können. Brunnen zur Grundwassergewinnung sind hier sehr unergiebig.
Abb. 1: Das quartäre Rinnensystem von Ems und Werse (Quelle: Geologisches Landesamt NRW, verändert)

Bis zur Saaleeiszeit, hatten Ems und Werse tiefe Rinnen in den leicht erodierbaren Kreide-Untergrund gegraben. Diese bilden heute das Ur-Ems- bzw. das Ur-Ems-Werse-Rinnensystem (Abb.1). Es wurde erst in den letzten Jahren geologisch genauer erforscht.

Im Verlauf der pleistozänen Kalt- und Warmzeiten sowie im Holozän haben dann die Ems und die Werse sowie ihre jeweiligen Nebenbäche, z. B. Axtbach, Hessel, Angel usw., mächtige Sedi­mentdecken über dem Kreideuntergrund abgelagert und auf diese Weise einen "Sandgürtel" von teilweise bis zu 20 km Breite und durchschnittlich etwa 15 m Mächtigkeit geschaffen. Im Bereich der früher entstandenen Ur-Ems(-Werse)-Rinnen, wo also alte, schmale, tief in die Tonmergel-Gesteine eingeschnittene Kerbtäler verliefen und zunächst aufgefüllt wurden, erreichten die Sedimentschichten Mächtigkeiten von insgesamt etwa 20 bis 30 m (Abb. 2).

Die Ur-Ems-Rinne verläuft ungefähr im Bereich des heutigen Ems-Flussbettes, oft parallel hierzu, manchmal kreuzt sie es. Der heutige Emsverlauf ist also nicht völlig identisch mit dem der Ur-Ems. Etwas geringer ist die Abweichung zwischen der Ur-Werse und dem heutigen Werseverlauf (Abb. 1).

Abb. 2: Geologischer Schnitt durch die Werse-Rinne bei Drensteinfurt (Quelle: Geologisches Landesamt NRW)

Die von den Flüssen abgelagerten Sedimente haben zwar stellenweise auch Schluff- oder Toncharakter, sind also sehr feinkörnig, oft be­stehen sie aber aus Sanden oder ei­nem Ge­misch aus Sand und Kies. Letztere werden durch ihre größeren Porenvolumina zu sehr guten Grundwasserleitern (Aquifere) (s. Abb. 1 im Beitrag Wieneke u. Abb. 2 im Beitrag Meßer). Daher haben speziell im Ur-Ems- und -Werse-Rinnenverlauf zahlreiche Wasserwerke ihre Brunnen errichtet, um die sehr guten Grund­wasserge­win­nungs­möglichkeiten dieser Aquifere zu nutzen. Zumeist wird das Rohwasser aus etwa 17 bis 20 m gefördert.

Im Mittel liegen die jährlichen Niederschlagsmengen in diesem Raum bei etwa 735 mm. Wenn man den oberirdischen Abfluss, die Verdunstung, die Interzeption und die Wasseraufnahme durch die Vegetation abrechnet, versi­ckern noch etwa 200 bis 250 mm Niederschlag. Etwaige lehmige, die Sande überlagernde Deckschichten, die die Versickerungsrate hemmen würden, gibt es kaum. Hierdurch bleibt zur Auffüllung der Aquifere mehr als genug Wasser übrig.

Die Absenkungstrichter der Brunnen beeinträchtigen die Wasserstände der Flüsse und Bäche auch dann kaum, wenn sie in der unmittelbaren Nähe der Flüsse errichtet wurden und diese vielleicht Niedrigwasser führen, da die Flussbettbereiche durch Schlickablagerungen gut "abgedichtet" sind. Daher können die Wasserwerke in der Regel "aus dem Vollen schöpfen".

Die Städte und Gemeinden jedoch, die südlich der Emsniederung in einiger Entfernung von dieser auf den oberflächennah anstehenden Kreideschichten liegen, haben in Bezug auf eine Wassergewinnung "vor Ort" Probleme. Be­ckum, Oelde und Ennigerloh etwa haben mehrfach, z. T. noch um die Wende zum 20. Jh., Epidemien erlebt, die maßgeblich auf die Wassermangelsituation zurückzuführen waren, wobei Tro­ckenjahre die Probleme deutlich verschärften. Daher entschloss sich der Kreistag des da­maligen Kreises Be­ckum im Jahre 1908, die Grundwasservorkommen der Ur-Ems-Rinne für eine zentrale Wasserversorgung der Ge­meinden Be­ckum, Neubeckum, En­nigerloh und Oelde zu nutzen. Das am 19.07.1910 feierlich eingeweihte Wasserwerk in Vohren (östlich von Warendorf) arbeitete mit Dampfenergie, die genannten Gemeinden erhielten Wassertürme. Heute (2010) beliefert die "Wasserversorgung Be­ckum GmbH" ein Gebiet von über 2.000 km2 und 130.000 Einwohner mit Trinkwasser, und zwar zu etwa 60% aus dem Vohrener Grundwasserwerk, wo 12 Brunnenanlagen etwa 5,5 Mio. m3 Wasser pro Jahr fördern (Abb. 3). Ungefähr 30 km2 groß ist das Wasserschutzgebiet, in dem diese Brunnen liegen. Die "Wasserversorgung Beckum" ist jedoch zusätzlich eingebunden in ein System verschiedener weiterer Wasserwerke, Wasserversorger und Verbundsysteme. Hierdurch ist nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht eine dauerhaft weitgehend problemlose Wasserversorgung ge­währleistet.

Abb. 3: Versorgungsgebiet der Wasserversorgung Beckum GmbH (Quelle: Wasserversorgung Beckum GmbH, verändert)

Auch an­dere Städte, von Harsewinkel über Warendorf, Telgte und Greven, ge­winnen einen großen Prozentsatz ihres benötigten Wassers aus der Ur-Ems-Rinne.

Während die mengenmäßige Verfügbarkeit des Wassers in der Regel kein Problem darstellt, muss in qualitativer Hinsicht vor allem die Nitratbelas­tung des Wassers als Problem beachtet werden, das sich im Zuge der Intensivierung der Landwirtschaft ergab (s. Beitrag Lethmate). Gerade wegen der sandigen Böden meinten viele Landwirte bis in die 1980er Jahre in Bezug auf den Düngemitteleinsatz noch: "Viel nützt viel". Die Folge wa­ren z. T. sehr deutliche Überschreitungen der Nitrat-Höchstwerte (=50 mg/l) vor allem in den oberflächennahen Bodenschichten. Die Probleme waren auch deshalb dringend, weil z. B. im Kreis Warendorf selbst die Flächen der Trinkwassergewinnungsgebiete zu zwei Dritteln landwirtschaftlich genutzt werden und die Waldfläche nur 19% beträgt.

Nitrat kann nicht nur in gesundheitlicher Hinsicht für den Menschen zur Gefahr werden, sondern auch – durch Veränderung der Sulfat- und der Eisengehalte infolge chemischer Prozesse – die Wasserhärte erhöhen und den Wasserwerken technische und betriebliche Probleme bereiten, z. B. bei der Wasseraufbereitung und der Nutzungsdauer der Brunnen.

Bereits um 1990 wurden deshalb in den betroffenen Gebieten Kooperationsvereinbarungen zwischen der Landwirtschaft und der Wasserwirtschaft getroffen, um die Probleme nachhaltig lösen oder doch zumindest so weit reduzieren zu können, dass alle Beteiligten auf Dauer sicher sein konnten, ihre jeweils eigenen Aufgaben erfüllen und ihre Interessen wahren zu können. Zu den vereinbarten Maßnahmen gehörten z. B. intensive Düngeberatungen, genaue Düngeplanung und -berechnung, Bo­denanalysen, Abgabe überschüssiger Gülle usw.

Die Erfahrungen, die mit diesen Kooperationen gemacht wurden, waren so gut, dass gegenwärtig nach diesem Muster auch in jenen Einzelregionen, in denen keine solchen Kooperationsverträge bestanden, durch die Landwirtschaftskammer entsprechende Beratungen durchgeführt werden. Die immer noch erhöhten Nitratwerte bleiben allerdings eine Herausforderung, obwohl die Werte z. B. im Werse- und im Emsgebiet südlich bzw. östlich von Münster zurückgegangen sind und sie im Trinkwasser letztlich deutlich unter den Grenzwerten liegen (vgl. hierzu MUNLV NRW 2008, S. 30 ff.).

Bei anderen möglichen Belas­tungsfaktoren des Grundwassers sind vor allem die Rückstände aus Pflanzenschutzmitteln (PSM) zu beachten. In einigen Wasserwerken, z. B. in Telgte und Everswinkel-Raestrup, wurden bereits technische Maßnahmen ergriffen, um das gewonnene Wasser ohne nennenswerte PSM-Rückstände anbieten zu können. Hierzu zählt z. B. die Aktivkohle-Behandlung.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2010