Westfalens Wälder – zukünftige Nutzungspotenziale

01.01.2007 Bernward Selter

Kategorie: Wirtschaft

Schlagworte: Westfalen · Wald · Forstwirtschaft

Steigende Öl- und Erdgaspreise machen den Wald gegenwärtig zunehmend attraktiver, die energetische Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Holz erlebt eine Renaissance. Moderne, mit Holzfestbrennstoffen (Pellets, Hackschnitzel etc.) beschickte Holzheizungen sind mittlerweile genauso komfortabel wie ihre mit Öl oder Gas betriebenen Konkurrenten. Außerdem sind sie umweltfreundlicher und auch kostengünstiger zu betreiben. Biomasse ist - nachhaltig genutzt - dauerhaft verfügbar, CO2-neutral und schafft zudem Arbeitsplätze in der Region.

Neben wertvollen Schutz- und Erholungsfunktionen bieten die Wälder durch ihre nachhaltige Bewirtschaftung als Rohstoff- und Energiequelle mehr als 250000 Menschen in NRW direkt oder indirekt eine Beschäftigung. Forst- und Holzwirtschaft haben entgegen landläufiger Meinung eine herausragende arbeitsmarktpolitische und wirtschaftliche Bedeutung in NRW (vgl. Geographisch-landeskundlicher Atlas von Westfalen, 13. Lieferung). Dies belegen Forschungsergebnisse der vergangenen Jahre, so etwa die "Struktur- und Marktanalyse der Forstwirtschaft und der Holz verbrauchenden Industrie in Nordrhein-Westfalen, 2002", kurz: Clusterstudie Forst & Holz NRW (Schulte 2002, MUNLV 2003).
Abb. 1: Waldfläche in Westfalen nach der letzten Landeswald- inventur (Quelle: LWI 1999/2000)
Rund 27,6% der Fläche Westfalens sind mit Wald bedeckt (NRW: 25,8%), nach der letzten Landeswaldinventur (LWI 1999/2000, Abb. 1) insgesamt 591800 ha (NRW: 878400 ha). Der Laubbaumanteil beträgt rund 49,5%, der Nadelholzanteil 50,5%. Jedem Einwohner stehen rein rechnerisch 729 m2 Wald zur Verfügung (Rheinland: 315 m2). Die in Westfalen am meisten verbreiteten Baumarten sind die Fichte mit 39,3% Anteil an der Waldfläche, gefolgt von der Buche mit 18,5% und der Eiche mit 12,9%. Das Sauerland ist mit durchschnittlich 58% Waldanteil die waldreichste Region Westfalens. Die Westfälische Bucht ist durchschnittlich nur zu 15%, das Weserbergland zu 26% bewaldet.

Nordrhein-Westfalen weist den höchsten Privatwaldanteil eines Flächenlandes in Deutschland auf. Nach der LWI nimmt in Westfalen der Privatwald mit 428100 ha fast 70% der Waldfläche ein, gut 18% sind Körperschaftswald, knapp 10% Staatswald (Land) und ca. 2% Staatswald (Bund).
Abb. 2: Verteilung des Holzvorrats in Westfalen (Derbholzmenge in Vorratsfestmetern mit Rinde) nach Altersklassen und Baumartengruppen (Quelle: LWI 1999/2000)
Viele Wälder Westfalens befinden sich noch in der Aufbauphase (Abb. 2), d.h. sie besitzen nach wie vor viele Jung- und weniger Altbestände. Auffallend ist der übergroße Vorrat in der III. und IV. Altersklasse (41 bis 80 Jahre), zum großen Teil eine Folge der Einwirkungen des Zweiten Weltkriegs, der anschließenden Abholzungen aufgrund des Brenn- und Grubenholzmangels sowie der "Reparationshiebe" der Alliierten. Diese Ereignisse hinterließen weiträumige Kahlflächen, die später besonders mit Nadelholz wieder aufgeforstet wurden.

Anhand der Verteilung der Altersklassen ist erkennbar, dass z. B. bei der Fichte, die zu den Baumarten mit einer niedrigen Umtriebszeit (der Zeit zwischen Saat und Ernte) zählt, der Anteil jüngerer Bäume höher ist als bei der Eiche oder Buche, die beide erst in späteren Jahren geschlagen werden.

Der Wald in Nordrhein-Westfalen wird nachhaltig und naturverträglich bewirtschaftet. Der Holzvorrat der hiesigen Wälder ist in den letzten Jahrzehnten teils massiv angestiegen. Der Vorratsaufbau resultiert aus der Bildung stiller Reserven, einem gezielten Vorratsaufbau ("aufbauender Betrieb") sowie Nutzungsrestriktionen. Letztere ergeben sich aus rechtlichen Bestimmungen (Naturwaldzellen, Nationalpark, Referenzflächen etc.) oder sind strukturell bedingt (unerschlossene Steillagen, vernässte Flächen etc.). Die Gründe für diese Entwicklungen liegen v.a. in überhöhten Stickstoffeinträgen der Luft sowie im bislang bei weitem nicht ausgeschöpften Holzzuwachs. Denn die Holzeinschläge der letzten Jahre lagen im Durchschnitt unterhalb des Zuwachses (Abb. 3), so dass nachhaltig mehr Holz genutzt werden kann als bislang angenommen. Teile der Holzimporte könnten durch inländisches Holz ersetzt werden.
Abb. 3: Holzverkaufsmenge und potenzielles Holzaufkommen in Westfalen im Jahresdurchschnitt (Entwurf: B. Selter, verändert aus: Geogr.-landeskundl. Atlas von Westfalen, Quellen: LÖBF/LFV 1999/2000, Lückge 2002)

Die in Abb. 3 dargestellte Gegenüberstellung der Holzverkäufe im Durchschnitt der Jahre 1993 bis 2000 sowie des potenziellen jährlichen Rundholzaufkommens für die Jahre 2002 bis 2010 zeigt, dass auch im Landesteil Westfalen bis vor kurzem deutlich höhere Nutzungsmöglichkeiten bestanden. Hiernach sind in der o.g. Zeitspanne im Durchschnitt jährlich 2,56 Mio. Erntefestmeter (Efm) Rundholz von den Forstbetrieben verkauft worden. Dem standen pro Jahr - niedrig geschätzt - knapp 4 Mio. Efm an potenziellem Holzaufkommen gegenüber. Durchschnittlich gingen in Westfalen damit nur rund 65% des tatsächlich auch mobilisierbaren Rundholzes in den Verkauf.

Bei diesem Holz handelt es sich um das von der Forst- und Holzwirtschaft verwertbare Derbholz. Denn längst nicht alles Holz, das in den Wäldern nachwächst, kann auch tatsächlich abgeschöpft werden. Natürliche Hemmnisse (z.B. Hanglagen, Einschränkung der Nutzung aus standortökologischen Gründen), Nutzungsrestriktionen (Naturschutz) oder auch fehlende wirtschaftliche Anreize v.a. bei den kleinen Waldbesitzern führen dazu, dass viel Holz im Wald bleibt. Des Weiteren kommt es im Privatwald gelegentlich zu Holzverkäufen, die nirgends verbucht sind; auch dürften dort zumindest regional noch einige Holzmengen zur eigenen Brennholzversorgung eingeschlagen werden.

Die Biomassenanteile von Reisig, Blättern, Nadeln und Wurzeln werden in der forstlichen Planung gar nicht erfasst.

Auf ganz NRW bezogen geht man davon aus, dass zwischen 1987 und 2001 tatsächlich rund 4,5 Mio. Efm Rundholz jährlich eingeschlagen und ca. 4 Mio. Fm davon verkauft worden sind. Der gesamte jährliche Zuwachs der Wälder wird auf gut 8 Mio. Fm pro Jahr geschätzt, nach der Bundeswaldinventur von 2004 auf 8,4 Mio. Efm (BMELV 2004). Das entspricht einer biologischen Produktion von gut 9 Erntefestmetern je ha und Jahr.

Die zunehmende Bedeutung von Holz als Roh-, Bau- und Werkstoff sowie das starke Wachstum auf dem Energieholzsektor haben die Nachfrage nach Dendromasse in jüngster Zeit stark belebt und zu einer verstärkten Holznutzung geführt. Besonders die energetische Nutzung von Holz weist hohe Steigerungsraten auf. Sie tritt zunehmend in Konkurrenz mit der stofflichen Holznutzung.

Im In- wie auch im Ausland (z.B. Österreich) machen neuerdings Meldungen über eine Holzverknappung in der Holz- und Papierindustrie, drohende Werksschließungen usw. Schlagzeilen. Tatsächlich treten auch in NRW verbreitet Engpässe in der Versorgung der Holz verarbeitenden Betriebe mit heimischem Holzrohstoff auf. Holzsortimente, die früher in der industriellen Weiterverarbeitung (z.B. Holzwerkstoffindustrie oder Papierindustrie) Verwendung fanden, werden nun verstärkt als Brennholz vermarktet.

Zusätzlich steigt die Anzahl der Holzfeuerstätten (von der Großfeuerungsanlage bis hin zur Einzelfeuerstätte) in NRW stark an. Allein ihr Holzverbrauch liegt, wie jüngst eine Untersuchung des Wald-Zentrums, Universität Münster, festgestellt hat, höher als bislang angenommen (Wenzelides et al. 2006).
 
Hinzu kommen allgemeine Hemmnisse bei der Mobilisierung des heimischen Holzes. So ist der private Waldbesitz aufgrund der ungünstigen Besitzgrößenstruktur mit vielen Klein- und Kleinstbetrieben oft nicht in der Lage, dem Markt weitere, noch vorhandene Holzreserven zur Verfügung zu stellen. Hier müssten laut Wald-Zentrum künftig alle im Cluster Forst- und Holzwirtschaft sowie in der Regenerativen Energiewirtschaft tätigen Akteure enger kooperieren. Auch werden "Energiewälder" mit schnell wachsenden Baumarten auf landwirtschaftlichen Flächen ins Gespräch gebracht.

Faktisch droht NRW zwar kein Holzmangel, doch hat der heimische Holzmarkt zunehmend mit Verteilungs- und Mobilisierungsproblemen zu kämpfen und wird auch weiterhin - trotz der Mobilisierung weiterer einheimischer Holzreserven - auf Holzimporte angewiesen sein.

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Weiterführende Literatur/Quellen

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Erstveröffentlichung 2007