Wandertourismus in Westfalen... auf neuen Qualitätswegen
Der Wandertourismus erfreut sich heute wieder einer großen Beliebtheit. Wanderten im Mittelalter die Pilger entlang von alten Fernhandelswegen, wie beispielsweise dem Hellweg (s. Beitrag Steinkrüger), Studenten zu ihren Universitätsstädten oder Handwerker an ihre Arbeitsorte, so ist das Wandern bei uns heute zu einer reinen Freizeitbeschäftigung geworden.
Das Deutsche Wanderinstitut e. V. mit Sitz in Marburg (Hessen) konnte in seiner jährlich durchgeführten "Profilstudie Wandern" nachweisen, dass heute etwa 36,8 Mio. Deutsche wandern. Davon bezeichnen sich ca. 11 Mio. als regelmäßige Wanderer - Tendenz steigend. Außerdem sind laut der Studie etwa drei Viertel der Wanderer in Deutschland bereits jünger als 59 Jahre, und der prozentuale Anteil der jüngeren Wanderer wird von Jahr zu Jahr größer. Interessant ist auch, dass das Bildungsniveau der Wanderer relativ hoch ist. So besitzen insgesamt 41% der Wanderer einen Studienabschluss, und deren Einkommen liegt über dem Bundesdurchschnitt. Dies bedeutet für die Wanderregionen, dass Wanderer zwar eine sehr anspruchsvolle, aber zugleich auch einkommensstarke und ausgabefreudige Zielgruppe darstellen.
Als Qualitätswege gelten heute diejenigen Strecken, die mit einer der zahlreichen neuen und bundesweit einheitlichen Qualitätsauszeichnungen prämiert worden sind und folglich das vergebene Qualitätssiegel z. B. zu Marketingzwecken verwenden können.
So wird vom Deutschen Wanderverband e. V., der Dachorganisation der deutschen Wandervereine, das Siegel "Qualitätsweg Wanderbares Deutschland" vergeben. Einige der zahlreichen Kriterien sind eine Wegmindestlänge von 20 km und eine qualitativ hochwertige Wanderweg-Infrastruktur. Dazu gehören die ständige Wegpflege, der Naturschutz und eine ausreichende Markierung. Außerdem kümmert sich der Deutsche Wanderverband e. V. um die Schaffung einheitlicher Qualitätsstandards für wanderfreundliche Unterkünfte und prämiert diese entsprechend.
Beispiel Rothaarsteig
Der Rothaarsteig selbst, der als erster deutscher Wanderweg mit den Siegeln "Premiumweg" und "Qualitätsweg Wanderbares Deutschland" ausgezeichnet worden ist und anderen Regionen bei der Konzeption von Wanderwegen als Vorbild dient, hat sich heute als starke Marke im Tourismusmarkt etabliert. Dafür sprechen die etwa 1,2 Mio. Gäste im Jahr, deren Großteil aus Tagesausflüglern besonders aus den Ballungszentren an Rhein und Ruhr besteht. Die Zahl der Übernachtungsgäste liegt bei ca. 300.000 Wandernden pro Jahr. Die Industrie- und Handelskammer zu Dillenburg und Wetzlar hat errechnet, dass in der Region allein durch den Rothaarsteig jährlich ein Umsatz von ca. 33 Mio. Euro erwirtschaftet wird, von denen etwa 24,3 Mio. Euro in der Gastronomie, 5,7 Mio. Euro im Einzelhandel und ca. 3 Mio. Euro im Dienstleistungsgewerbe verbleiben. So werden in der Region allein durch den Rothaarsteig umgerechnet etwa 800 Arbeitsplätze gesichert, was zeigt, welches enorme wirtschaftliche Potenzial bei entsprechender Konzeption und Vermarktung im Wandertourismus steckt.
Beispiel Hermannshöhen
Den zweiten großen Qualitätsfernwanderweg in Westfalen stellen die so genannten "Hermannshöhen" dar. Diese wurden im Mai 2005 durch die Verknüpfung der bisherigen überregionalen Wanderwege Hermannsweg (s. Beitrag Gerbaulet) und Eggeweg ins Leben gerufen und erstrecken sich nun auf einer Länge von insgesamt 226 km von Rheine über Detmold bis nach Marsberg im Sauerland. Bei der Konzeption des Weges arbeitete auch hier eine Vielzahl unterschiedlicher Kommunen, Eigentümer, Forstämter, Landkreise und Lenkungsgruppen zusammen, um letztendlich ein einheitliches Konzept auf die Beine zu stellen, das die regionalen Potenziale optimal ausschöpft. So wurde mit Unterstützung des Deutschen Wanderverbandes e. V. das regionale Qualitätssiegel "Qualitätsbetrieb Hermannshöhen" entwickelt, das besonders gastfreundliche Beherbergungsbetriebe auszeichnet. Heute gehört dieser Fernwanderweg, wie auch der Rothaarsteig, zu den zehn "Top Trails Of Germany" und ist mit dem Siegel "Qualitätsweg Wanderbares Deutschland" prämiert worden.
Die Vielzahl an Qualitätswegen (Kasten 1) in Westfalen belegt, dass die Region ihr touristisches Potenzial erkannt hat und dies nun in konkrete Konzepte umsetzt. Der wandertouristische Schwerpunkt liegt heute im Sauerland, doch werden in Zukunft im Zuge der steigenden Beliebtheit des Wanderns sicherlich auch weitere Regionen eigene Konzepte entwickeln.
Weiterführende Literatur/Quellen
• | Brämer, R. (2009): Profilstudien Wandern. o. O. (www.wanderforschung.de/index.php?l=WF&c=27&p=64) | |
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Deutscher Wanderverband e. V. (Hg.) (2009): Qualitätswege Wanderbares Deutschland. o. O. |
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• | Deutsches Wanderinstitut e. V. (Hg.) (2009): Die Premiumwege im Überblick. o. O. (www.deutscheswanderinstitut.de/premiumwege) | |
• | Leder, S. (2002): Das neue Bild der Wanderer – wichtige Marktdaten. In: Steinecke, A. (Hg.): Tourismusforschung in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse – Projekte – Perspektiven. Paderborn, S. 76–84 | |
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Nordrhein-Westfalen Tourismus e. V. (Hg.) (2006): Wandertourismus. Zahlen – Daten – Fakten. Köln |
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• | www.hermannshoehen.de | |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Bildung_Kultur/Jakobswege |
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www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Wirtschaft/Hermannsweg |
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• | www.rothaarsteig.de | |
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www.wanderinstitut.de |
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www.wanderverband.de |
Erstveröffentlichung 2009, Aktualisierung 2010