Wohnungsfertigstellungen in Westfalen 2021–2023

21.06.2024 Peter Wittkampf

Inhalt

Allgemeine Tendenzen

Im Jahr 2023 wurden – nach den Daten des Statistischen Landesamtes IT.NRW – in Westfalen insgesamt 23.582 Wohnungen neu errichtet. Das waren 179 mehr als 2022, aber 90 weniger als 2021, sodass bis Ende 2023 im Grunde von einer ungefähren Konstanz in Bezug auf Wohnungsneubauten gesprochen werden kann.

Die neu errichteten Wohnungen befanden sich 2023 zu 58% in neuen Mehrfamilienhäusern, zu 21% in neuen Einfamilienhäusern. Die restlichen 21% der neu hinzugekommenen Wohnungen entstanden in anderen Haustypen, z.B. in Nichtwohngebäuden, oder durch Um- oder Ausbauarbeiten in bestehenden Gebäuden. Ferner ist zu bedenken, dass sich durch die neu errichteten Wohnungen der gesamte Wohnungsbestand nicht genau um die entsprechende Anzahl erhöhte, da ja auch ältere Wohnungen abgerissen wurden.

Der geringen Dynamik beim Wohnungsneubau in den letzten drei Jahren steht eine deutlich gewachsene Zahl von Wohnungssuchenden gegenüber, denn in Westfalen lebten 2023 insgesamt 115.223 Menschen mehr als zwei Jahre zuvor (IT.NRW).

Eine Vielzahl an Untersuchungen und Veröffentlichungen spricht von einem Defizit an Wohnungen, das sich in nächster Zeit noch verstärken werde. Die Landeszentrale für politische Bildung NRW schrieb beispielsweise im Oktober 2023: "In NRW fehlen 300.000 Wohnungen". Die Zahl der Baugenehmigungen ging 2023 sehr deutlich zurück. Gründe waren und sind u.a. Kostensteigerungen beim Baumaterial, gleichzeitig gestiegene Kreditzinsen, Knappheit an Baugrundstücken oder Skepsis der Bauherren angesichts behördlicher Vorgaben.

Auch wenn die Anzahl der 2023 fertig gestellten Wohnungen noch ungefähr den unmittelbaren Vorjahreszahlen entsprach, so gab es doch deutliche Veränderungen in Bezug auf die Anteile der Wohnungen in Mehrfamilien- bzw. Einfamilienhäusern: 2021 hatten die neuen Einfamilienhäuser noch einen Anteil von 25,7% an allen neuen Wohnungen, 2023 waren es nur noch 21,0%. Bei den Wohnungen in neuen Mehrfamilienhäusern erhöhte sich der Anteil hingegen von 52% auf 58%.

Tab. 1: Kreise / kreisfreie Städte West­falens mit den meisten bzw. wenigsten neu fertiggestellten Wohnungen (Quelle: IT.NRW)

Regionale Unterschiede

In räumlicher Hinsicht fällt auf, dass das Münsterland einen klaren Schwerpunkt innerhalb Westfalens bei den neu errichteten Wohnungen bildet. Münster und die Münsterlandkreise Borken, Coesfeld, Steinfurt und Warendorf stellen zusammen etwa 20% der Bevölkerung Westfalens, 2023 wurden dort aber ca. 35% aller neuen Wohnungen fertig gestellt. In Tabelle 1 wird die Sonderstellung vor allem der Kreise Steinfurt und Borken besonders deutlich. Andererseits sind nach wie vor die Ruhrgebietsstädte Hagen, Herne, Bottrop und Gelsenkirchen "Schlusslichter" beim Wohnungsneubau. In "DerWesten" wurde am 28.09.2023 in einem Artikel der Direktor des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland Westfalen, Alexander Rychter, indirekt folgendermaßen zitiert: "Vor allem Menschen mit geringem Einkommen können kaum noch bezahlbare Wohnungen finden", wobei explizit Gelsenkirchen als Beispiel erwähnt wurde. Und wörtlich habe Rychter in Bezug auf den landesweiten Trend gesagt: "Dass Mietwohnungen durch selbst genutztes Wohneigentum frei werden, wird immer seltener. Das verstopft den Mietwohnungsmarkt von oben."

Abb. 1: Neu fertiggestellte Wohnungen je 10.000 Einwohner sowie Anteil der Einfamilienhaus-Wohnungen an allen neu fertiggestellten Wohnungen in Westfalen 2022 (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Wohnungsbauquoten

Wenn in einem bevölkerungsreichen Kreis wie z.B. Steinfurt – absolut gesehen – mehr Wohnungen als in einem bevölkerungsarmen Kreis wie Olpe entstehen, erscheint dies plausibel. Aussagekräftiger ist es aber beim Vergleich der Kreise und kreisfreien Städte, wenn man jeweils die Anzahl der neu fertig gestellten Wohnungen je 10.000 Einwohner betrachtet. Bei dieser "Wohnungsbauquote" wiesen 2021 die Kreise Paderborn (62,9 neue Wohnungen je 10.000 Einw.), Borken (57,8) und Coesfeld (52,9) sowie die Stadt Münster (48,1) die höchsten Werte auf, den niedrigsten (5,5) die Stadt Hagen. Im Kreis Paderborn dürfte der wirtschaftliche Boom der vorangegangenen Jahre eine Rolle gespielt haben. Das Bruttoinlandsprodukt z.B. stieg dort von 2015 bis 2020 um 11,3%, in Hagen dagegen nur um 2,3% (de.statista.com).

Im Jahr 2022 (Abb. 1) führten in Westfalen die Stadt Münster mit 58,0 und der Kreis Warendorf (48,8) die Liste der meisten neu fertig gestellten Wohnungen je 10.000 Einwohner an. Danach folgten die Kreise Steinfurt (46,9) und Borken (45,0). "Schluss­lichter" waren die Städte Gelsen­kirchen (6,3) und Hagen (7,1).

Münster konnte seine Spitzenposition dann sogar noch ausbauen: Im Jahr 2023 (Abb. 2) war hier die Wohnungsbauquote mit 68,8 deutlich höher als im Kreis Steinfurt, der auf Rang 2 einen Wert von 49,2 aufwies, gefolgt von den Kreisen Gütersloh (45,9) und Borken (45,4). Dagegen hatte 2023 Gelsenkirchen eine Quote von nur 2,1; Hagen kam auf 4,5.

Abb. 2: Neu fertiggestellte Wohnungen je 10.000 Einwohner sowie Anteil der Einfamilienhaus-Wohnungen an allen neu fertiggestellten Wohnungen in Westfalen 2023 (Quelle: IT.NRW, eigene Berechnungen)

Wohnungen in Ein- und Mehrfamilienhäusern

Aufschlussreich ist auch die Frage, wie viele der neu errichteten Wohnungen speziell auf Einfamilienhäuser entfielen. In den Jahren 2021 und 2022 lag dieser Anteil im eher ländlich strukturierten Kreis Höxter jeweils bei knapp über 50%. Zu einem guten Teil spielten dabei sicherlich die relativ niedrigen Kosten für Baugrundstücke eine Rolle. Noch im Mai 2024 betrugen sie z.B. in der Stadt Höxter durchschnittlich 97,00 Euro pro m2 (aktuelle-grundstueckspreise.de). In einigen Kommunen des Kreises Höxter waren sie noch geringer: Für Marienmünster etwa wurden 57,00 Euro pro m2 errechnet (ebd.). Zum Vergleich: In Münster betrug der Durchschnittspreis im Mai 2024 1.033 Euro pro m2 (ebd.).

Im Jahr 2023 zeigte sich aber auch im Kreis Höxter, dass – sicherlich auch infolge der Zuwanderungen und der gestiegenen Baupreise für Einzelhäuser – der Fertigstellungsanteil der Mehrfamilienhaus-Wohnungen zunahm und der der Einfamilienhäuser zurückging.

Dass in Hagen bzgl. der im Jahr 2023 neu fertiggestellten Wohnungen bei den Einfamilienhäusern noch ein Spitzenwert von 46,5% verzeichnet wurde, könnte verwundern. Es ist aber zu berücksichtigen, dass dort insgesamt lediglich 86 neue Wohnungen entstanden sind; 40 davon waren Einfamilienhäuser. In Gelsenkirchen befanden sich 2023 von den insgesamt sogar nur 55 neuen Wohnungen 14 (25,5%) in Einfamilienhäusern.

Ein Sonderfall ist Münster. Dort beschlossen die regierenden Parteien Grüne, SPD und Volt im Mai 2023, den Neubau freistehender Einfamilienhäuser aus ökologischen Gründen nur noch in Ausnahmefällen zuzulassen. Der Anteil entsprechender Wohnungsfertigstellungen, der 2022 ohnehin nur noch 9,8% betragen hatte, sank 2023 auf 6,1%. Die Restriktion in Bezug auf Einfamilienhäuser ist besonders brisant angesichts der Zunahme der Einwohnerzahl Münsters von 2013 bis 2023 um mehr als 20.000 Menschen (IT.NRW).

In Hagen scheint sich der in den vergangenen Jahren unterdurchschnittliche Wohnungsneubau mittlerweile negativ auf den Mietwohnungsmarkt auszuwirken. In "DerWesten" (03.10.2023) hieß es zu den hier seit 2021 gravierenden Mietpreissteigerungen: "Die Stadt erlebt beinahe einen so starken Mietpreisanstieg wie Berlin".

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Weiterführende Literatur/Quellen

  • DerWesten, 28.09.2023: Wohnungsnot in NRW: Nach Vonovia – nächster Wohnungsanbieter schlägt Alarm.
    (https://www.derwesten.de/region/wohnungsnot-nrw-vonovia-leg-vivawest-c-id300663640.html)

  • DerWesten, 03.10.2023: Miet-Wahnsinn im Ruhrgebiet: In dieser Stadt dreht sich die Preisschraube seit Corona am schnellsten.
    (https://www.derwesten.de/region/miet-wahnsinn-ruhrgebiet-news-stadt-berlin-hagen-id300672140.html)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2022): Fertigstellung von Wohnungen in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2020 und 2021. (https://www.it.nrw/sites/default/files/itnrw_presse/226_22.pdf)

  • IT.NRW Information und Technik Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2024): Fertigstellung von Wohnungen in Nordrhein-Westfalen in den Jahren 2022 und 2023. (https://www.it.nrw/system/files/media/document/file/159_24.pdf)

  • Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2023): In NRW fehlen 300.000 Wohnungen.
    (https://www.politische-bildung.nrw.de/themen/was-bewegt-nrw/details/in-nrw-fehlen-300000-wohnungen-sollte-die-oeffentliche-hand-selbst-verstaerkt-in-den-bau-von-wohnungen-investieren)

  • NRW.Bank (Hg.) (2023): Wohnungsmarktbericht Nordrhein-Westfalen 2023.
    (https://www.nrwbank.de/export/.galleries/downloads/wohnraumfoerderung/wohnungsmarktbeobachtung/
    Wohnungsmarktbericht-NRW-2023.pdf)

  • https://de.statista.com

  • https://www.aktuelle-grundstueckspreise.de

Erstveröffentlichung 2024

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