Zoos in Westfalen

26.10.2015 Isabel Tenbergen

weiterer Autor: Markus Wieneke

Inhalt

Ob als sonntäglicher Familienausflug, als Wandertag für Schulklassen oder als Spaziergang für Senioren – Zoos erfreuen sich in unserer Gesellschaft in allen Altersklassen großer Beliebtheit. Vor dem Hintergrund einer zu­nehmenden Verstädterung und gravierender Umweltveränderungen dienen sie dazu, das Be­wusstsein der Bürger auf die Natur zu lenken, und appellieren an die Umweltwahrnehmung der Menschen. Neben der Er­holungs- und Unterhaltungsfunktion erfüllen die Einrichtungen somit auch Bildungsaufgaben im Natur- und Umweltschutz und sind wichtige außerschulische und außeruniversitäre Lernorte.

In Münster wurde 1875 die wohl erste bedeutende zoologische Einrichtung Westfalens gegründet, die mehrere Tierarten beheimatete. Seither ist in unserem Landesteil eine Vielzahl an Zoos entstanden, die in Ihren Ausrichtungen ganz unterschiedlich gestaltet sind (Abb. 1).

Abb. 1: Zoos und andere verwandte Einrichtungen, Auswahl (Einordnung durch die Geographische Kommission für Westfalen) (Quelle: www.zoo-infos.de)

Funktionswandel hin zum ''Edutainment''

Im Laufe des vergangenen Jh.s ha­ben sich nicht nur Haltungsbedingungen (artgerechtere Tierhaltung), sondern auch die Ansprüche der Besucher an die Einrichtungen und damit auch deren Funktionalität massiv gewandelt: Gaben sich Besucher Anfang des 19. Jh.s noch mit dem Betrachten einiger Tierarten zufrieden, sind die Erwartungen nun differenzierter. Heutige Besucheransprüche lassen sich unter dem Stichwort "Edutainment" (Education und Entertainment) zusammenfassen. Neben dem Naturschutz (z.B. Erhalt der biologischen Vielfalt) nimmt der Aspekt der Unterhaltung eine entscheidende Rolle ein. Zoobesucher werden mittlerweile nicht nur durch das Betrachten exotischer Arten zufrieden gestellt, sondern erwarten beim Besuch ein weitreichendes Angebot an Attraktionen und Überraschungen (Wohlers 2002).

Zoos treten zunehmend in Konkurrenz mit Jahrmärkten, Straßen­fes­ten, Sportveranstaltungen, Kinos, Theatern etc. Wenn man einen Zoo profitabel gestalten will, so muss das Marketing auf den Verbraucher, den Kunden, gerichtet werden. "[...] der Zoo muß Attraktionen bieten, um im Umfeld der reichlich vorhandenen Freizeitmöglichkeiten, die dem Menschen heutzutage offen stehen, bestehen zu können" (Hagenbeck 1997). Wie das gelingen kann, sollen die im Folgenden kurz dargestellten – ganz unterschiedlichen – Beispiele zeigen:

Biotopwildpark Anholter Schweiz

Erbaut während der englischen Gartenbewegung 1893 von Fürst Leopold zu Salm-Salm, befindet sich dieser Tierpark unmittelbar an der deutsch-niederländischen Grenze (Stadt Isselburg). Die Anlage ist eine Nachbildung des schweizerischen Vierwaldstätter Sees. Braun- und Kragenbären, von denen einige vor dem Einschläfern gerettet werden konnten, leben heute in einem eigens für sie geschaffenen 2,5 ha großen Gehege, dem sog. Anholter Bärenwald.

Der mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Park wurde zu seinem 100-jährigen Bestehen zu einem 56 ha großen Biotopwildpark erweitert, den die Besucher über das 6 km lange, gut begehbare Wegenetz aus Sandwegen in typisch niederrheinischen und münsterländischen Landschaftsbildern und Biotopen erkunden können. Die besonders weiträumigen Tiergehege und Großvolieren bieten den Tieren einen artgerechten Lebensraum (www.anholter-schweiz.de).

Allwetterzoo Münster

Der im Jahre 1875 eröffnete "Zoologische Garten zu Münster" wurde 1974 als "Allwetterzoo" auf einem größeren Areal außerhalb des Stadtzentrums neu eingeweiht. Sein Name stützt sich auf das Vorhandensein von Allwettergängen, die den Zoobesuch bei Wind und Wetter angenehm und komfortabel machen.

Die Besonderheit des Allwetterzoos liegt darin, Tiere hautnah erleben zu können. Das bedeutet konkret, dass Besucher in Körperkontakt zu der Tierwelt treten dürfen, beispielsweise können Elefantenfütterungen durch die Besucher erfolgen.

Ferner ist die informelle Wissensvermittlung sehr wichtig: Informationen über die Zoobewohner auf Informationsschildern sind nicht nur auf den Namen und die Herkunft einer Tierart beschränkt, sondern durch zeitgemäße Schilder ergänzt, die auch über ökologische Zusammenhänge oder Verhaltensbesonderheiten aufklären. Zudem wird das Interesse von Kindern durch zahlreiche interaktive, also spielerische Informations-Angebote geweckt.

Der Zoo verfügt über eine Zooschule, in der speziell ausgebildete "Zoolehrer" rund 8.000 Schüler pro Jahr unterrichten. In der sog. Forscherwerkstatt leiten Biologen bzw. Pädagogen Kinder und Jugendliche bei selbst gewählten Natur- und Um­weltprojekten an. In den Ferienzeiten werden spezielle Führungen für Kinder angeboten, die sich mit vielfältige Themen aus der Tierwelt befassen.

Zudem dienen verschiedene Ausstellungen im Zoo der Wissensvermittlung, u.a. über die Artenvielfalt und deren Bedrohung in der sog. BioCity, die Natur- und Kulturgeschichte des Pferdes im Westfälischen Pferdemuseum sowie über Fledermäuse etc. (Allwetterzoo Münster).

ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen

Nach einem in Europa einzigartigen Zoo-Konzept ist der Zoo in Gelsenkirchen entstanden. In verschiedenen Erlebniswelten, die zwischen 2005 und 2010 eröffnet wurden, leben die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum, in dem sie sich nahezu frei bewegen können. Die Besonderheit für Besucher liegt darin, dass eine quasi barrierefreie Begegnung zwischen Mensch und Tier möglich ist, da auf Gitterstäbe zugunsten von Glasscheiben oder Gräben verzichtet wird, um ein Panorama zu erzeugen (NRW Partnerzoo). Alaska und die Kontinente Afrika und Asien werden mit ihren Pflanzen und Tieren so präsentiert, dass dem Besucher suggeriert wird, er befände sich direkt im Lebensraum der Tiere. Der Subkontinent Alaska gibt beispielsweise einen Einblick über alle Vegetationszonen, den Küstenregenwald, die Bergregion, die Tundra und die Polarregion.

Das Entertainment wird im Zoo gezielt zur Befriedigung der Besucheransprüche eingesetzt. Besuchererlebnisse wie das Alaska Ice Adventure, eine Reise in einem Iglu durch das Polarmeer, oder der Canopy Walk, bei dem man in 5 m Höhe in Baumwipfeln Orang Utans auf Augenhöhe begegnen kann, sind nur einige Attraktionen.

Diese neue Art der Zoogestaltung, die auf Unterhaltung durch außergewöhnliche Einrichtungen und Angebote abzielt und sich nicht mit der bloßen Zurschaustellung von Tieren zufrieden gibt, spricht die ganze Familie an, da sie so geschaffen ist, dass jedes Familienmitglied unterhalten wird. Aus diesem Grund scheint sich das neue Konzept des Zoos besonders zu bewähren (ZOOM Erlebniswelt Gelsenkirchen).

Mediale Berichterstattung

In lokalen wie auch überregionalen Medien werden Zoos in jüngster Zeit immer häufiger thematisiert und somit von Zeitungslesern oder dem Fernsehpublikum wahrgenommen. Blickt man zurück auf die Schlagzeilen über das Eisbärbaby Knut oder generell über Geburten von Jungtieren, so stellt man fest, dass Medien zur Attraktionsbeschaffung von Zoos herangezogen werden. Da es in der heutigen Gesellschaft mehr Fernsehzuschauer und Zeitungsleser als Zoobesucher gibt, kann die öffentliche Meinung eher durch Medienkonsum als durch gelegentliche Zoobesuche beeinflusst werden. Somit gewinnt die mediale Berichterstattung durch Fernsehdokumentationen von Zoos wie die Zoo-Doku-Soap "Pinguin, Löwe & Co." des Allwetterzoos Münster immer mehr an Bedeutung. Deren erste Staffel wurde von Januar bis April 2006 in der ARD ausgestrahlt. Diese mediale Präsenz hatte nach Angaben des Allwetterzoos unmittelbare Auswirkungen auf die Besucherzahlen: Zum Ende der Ausstrahlungsperiode wurden sehr hohe Besucheranstürme verzeichnet. Die Zahl belief sich im April auf ca. 126.800 Zoogäs­te, 47.300 Personen mehr als im gleichen Monat des Vorjahres. Ähnliches gilt für den Monat Juni, in dem rund 115.500 Personen den Allwetterzoo besuchten, während sich die Besucherzahl 2005 nur auf ca. 89.000 belief. Entsprechend positiv fiel auch die Jahresbesucherzahl für 2006 aus, die mit 1.031.337 Gästen erstmals seit über 30 Jahren wieder die 1 Mio.-Marke übertraf und seitdem nicht mehr erreicht wurde.

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Weiterführende Literatur/Quellen

Erstveröffentlichung 2012, Aktualisierung 2015